Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
sichtlich irritiert, dass sie den Herzog so impertinent brüskierte, aber Isabel hielt ihren staunenden, beleidigten Blicken ohne mit der Wimper zu zucken stand und ging zur Tür.
Sie kannte Leighton nicht und konnte ihn schlecht einschätzen. Nick kannte sie genau genommen ebenso wenig.
Eine tiefe Trauer wollte sie befallen. Die Hand schon an der Tür, drehte sie sich noch einmal nach den beiden Männern um, die Seite an Seite standen und abwarteten. „Georgiana steht unter dem Schutz des Earl of Reddich. Sie hat die Autorität des Titels uneingeschränkt hinter sich.“
Damit verließ sie den Raum und schloss die Tür fest hinter sich. Leighton sah Nick an. „Der Earl of Reddich“, sagte er in eisigem Ton, „ist ein Earl . Ich bin ein Duke. Damit dürfte das geklärt sein. Oder wurde die Hierarchie des Adels in Yorkshire außer Kraft gesetzt?“
Nick hatte beinahe Mitleid mit seinem Freund. „Fast. Du solltest alle Hierarchien und Ansprüche deines Titels ganz schnell vergessen. Die Frauen von Minerva House würden eher Isabel die Treue schwören als dem König.“
Und ich hielte es nicht anders .
Leighton sah ihn lange an. „Sie hat dich um den kleinen Finger gewickelt.“
Schweigend setzte Nick sich und sann über die Worte seines Freundes nach. Sie wurden seinen Gefühlen für Isabel nicht gerecht – nicht nach letzter Nacht, nicht nach dem heutigen Morgen, als sie sich so herrisch hinter dem Schreibtisch aufgebaut hatte, an dem seit Generationen nur Männer gesessen hatten. Und nicht nachdem sie es furchtlos mit einem der mächtigsten Männer Englands aufgenommen hatte.
„Sagen wir es so: Sie hat sich meinen Respekt und meine Bewunderung verdient. Und vielleicht auch noch mehr.“
Leighton betrachtete ihn finster. „Du wärst verrückt, dich mit ihr einzulassen.“
„Ich weiß.“
„Und?“
„Ich werde es dennoch tun.“
Der Herzog nickte noch bedächtig, da ging auch schon die Tür auf. Nick erhob sich, als Isabel eintrat, und erst jetzt kam er dazu, sie wirklich anzusehen. Ihre Schönheit nahm ihm den Atem. Selbst das Trauerkleid konnte dem Liebreiz ihrer Gestalt nichts anhaben. So rank und schlank und vollkommen. Flüchtig erwiderte sie seinen Blick, sah dann rasch beiseite. Wurde sie von den Geschehnissen der vergangenen Nacht ebenso verzehrt wie er?
Er war gerade in sein Schlafzimmer zurückgekehrt und hatte überlegt, wie er sie den ganzen Tag vom Haus loseisen könnte und … als es an die Tür geklopft und Jane ihn von der Ankunft Leightons unterrichtet hatte.
Wie immer musste Leighton genau zum falschen Zeitpunkt auftauchen.
Der Gedanke wurde von Georgiana verdrängt, die nun hinter Isabel hervortrat, die Hände fest vor sich verschränkt und den Blick gesenkt.
Leighton ging auf sie zu und klang ehrlich erfreut. „Georgie!“
Als Georgiana aufblickte, sah Nick erstaunt, welche Vielzahl von Gefühlen sich in ihrer Miene spiegelten: Erleichterung, Nervosität, Trauer – aber auch Liebe. Leighton schloss sie stürmisch in die Arme, wirbelte sie herum, und nun konnte auch Georgiana mit ihrer Freude nicht mehr an sich halten. „Simon!“
Die Anspannung, die Nick seit dem gestrigen Tag empfunden hatte, als er Georgiana seine Verbindung zu Leighton offenbarte, löste sich angesichts dieses Bildes trauter Geschwisterliebe auf. Nun war gewiss, dass nicht ihr Bruder sie in den Norden getrieben hatte.
Als er sie wieder absetzte, nahm Leighton ihre Hände in die seinen und sagte: „Ich habe mir solche Sorgen gemacht, Georgie. Du musst mir erzählen, was geschehen ist. Ich verspreche dir, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um es wiedergutzumachen.“
Bei seinen Worten traten dem Mädchen Tränen in die Augen. Sie entzog ihm ihre Hände und wich zurück. Schützend legte Isabel den Arm um sie und meinte: „Vielleicht sollte ich doch Tee bringen lassen.“
Leightons hilfloser Ärger darüber, weder zu verstehen, was seine Schwester so zur Verzweiflung trieb, geschweige denn ihr helfen zu können, brach sich Bahn. „Wie oft muss ich es denn noch sagen: Ich will keinen Tee! Ich will meine Schwester! Was haben Sie hier mit ihr angestellt?“
Entrüstet sah Georgiana auf, sichtlich gewillt, Isabel und Minerva House zu verteidigen. „Man hat mich hier aufgenommen, Simon, nichts weiter. Man hat mir ein Zuhause gegeben. Und eine sinnvolle Aufgabe.“ Nick kam nicht umhin, sie zu bewundern, wie sie dastand, so blass und zierlich, doch die Stimme klar und kräftig. „Hier hat
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