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Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Titel: Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Telegramm war von einem seiner Freunde und enthielt nur die Worte: »Komme sofort zu Deiner Mutter, sie bedarf Deiner.«
    Die Zeitung war, wie das Telegramm, schon einige Tage alt. Aber er hatte sie erst zu Gesicht bekommen, als er gestern von einer vierzehntägigen Studienreise in einsamen Gebirgsgegenden nach Lienz zurückgekehrt war. Sie enthielt die neuen Verordnungen, welche das Kultoramt in Berlin mit Ermächtigung der Residenten in Berlin, Wien und Bern und unter Bestätigung der Regierungen in der vorigen Woche erlassen hatte.
    Die Schwierigkeiten, auf welche die Martier bei der deutschen Regierung in bezug auf das Gesetz zum Schutz der individuellen Freiheit gestoßen waren, hatten den Protektor der Erde darauf geführt, sie in künftigen Fällen auf eine sehr einfache Weise zu umgehen. Er hatte gefunden, daß Bestimmungen über Beziehungen der Menschen zu den Numen und Einrichtungen der Nume gar keiner Gesetzgebung durch die Erdstaaten bedürfen, sondern auf dem Verordnungsweg durch die Residenten erlassen werden können. Die Regierungen aber mußten, wie gern sie es auch abgelehnt hätten, sich der Macht beugen und ihr Ja dazu geben. Sie taten es immerhin lieber, als sich einem Beschluß der Opposition in den Parlamenten zu fügen.
    Die Verordnung hatte im allgemeinen Mißstimmung hervorgerufen. Sie bestimmte nämlich, daß jeder Mensch, ohne Unterschied des Alters, sich einer von den Bezirksinstruktoren zu beaufsichtigenden Impfung unter Leitung martischer Ärzte zu unterziehen habe. Bis diese vollzogen sei, dürfe kein Ungeimpfter sich einem Numen bis zu einer gewissen Distanz nähern, keine von Numen bewohnte Räume betreten und die Luftschiffe und Fahrzeuge der Martier nicht benutzen. Zuwiderhandlungen waren mit strengen Strafen bedroht.
    Die Bestimmungen waren lediglich in Rücksicht auf die Menschen getroffen, um sie vor den drohenden Verwüstungen der Gragra zu schützen. Aber man hatte sich gescheut, diesen Grund anzugeben, weil man fürchtete, dadurch eine größere Beunruhigung und Unzufriedenheit zu erregen als durch die Maßregel selbst; man hatte die Impfung nur durch einen allgemeinen Hinweis auf Besserung des Gesundheitszustandes begründet. Der Beschluß war von den europäischen Residenten gegen Ells Stimme gefaßt worden, der eindringlich vor einem derartigen despotischen Eingriff gewarnt hatte. Doch hatte sich bei den maßgebenden Numen auf der Erde mehr und mehr die Ansicht herausgebildet, daß man die Menschen nur durch Anwendung von Zwang zu ihrem Besten leiten könne. Ell fühlte sich durch den Beschluß sehr bedrückt, hatte sich aber der Majorität fügen müssen.
    Saltner steckte das Blatt kopfschüttelnd wieder ein.
    »Es muß da noch etwas im Hintergrund liegen, worüber sie nicht mit der Sprache herauswollen«, dachte er bei sich. »Aber eine sakrische Dummheit bleibt’s doch, die ich dem Ell nicht zugetraut hätte. Oder vielleicht doch. Wie er sich damals aussprach –«
    Er dachte an jene Stunde bei La, in der er sich gegen Ells Pläne zur gewaltsamen Erziehung der Menschen aufgelehnt hatte. Und er sah die Geliebte wieder vor sich mit der feinen Stirn unter dem schimmernden Haar, er sah den tiefen Blick der dunklen Augen in zärtlicher Achtung auf sich gerichtet und fühlte die unvergeßlichen Küsse auf seinen Lippen. Wo mochte sie weilen? Ob sie seiner gedachte? Ob sie wußte von dem Leid, das über die Menschen gekommen war, ob sie es mit ihm fühlte? Verloren! Verloren!
    Aus seinen Träumen weckte ihn der Pfiff der Maschine. Die Berge waren zurückgewichen, grüne Hügel, auf denen Trauben und Kastanien reiften, zogen sich zur Seite. Die Passagiere suchten ihr Handgepäck zusammen, und der Zug hielt auf dem Bahnhof in Bozen.
    Saltner stieg aus und drängte sich eilig durch die Menge. Am Ausgang fiel ihm ein Plakat auf, das durch seine gelbrote Farbe schon weithin als eine amtliche Bekanntmachung des martischen Bezirksinstruktors kenntlich war. Er blieb stehen und las. Zuerst war die allgemeine Verordnung über die Impfung mitgeteilt, die er schon kannte. Daran aber schlossen sich spezielle Bestimmungen über den hiesigen Bezirk, Er traute seinen Augen nicht. Nach Angabe von Einzelheiten über die Ausführung der Impfung, die in den und den näher bezeichneten Lokalen stattfinde, stand da: Die als Bescheinigung der vollzogenen Impfung erteilte Marke ist sichtbar an der Kopfbedeckung zu tragen. Wer sich ohne dieselbe einem Numen auf mehr als sechs Schritt annähert, wird

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