Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
wir herrschen über die Natur und mächtig leben wie die Götter. Aber hier, in der Gewalt der sinnlosen Mächte, die uns fremd sind und ungewohnt, müssen wir den Mut des Willens erweisen. Sieh, dieser Mensch hat uns seinen Platz eingeräumt, uns, die er vielleicht haßt, und er steht draußen im Sturm und blickt furchtlos in das tobende Wetter. Was der Mensch kann, muß auch ich können, oder ich bin nicht wert der Erde. Und das will ich sehen!«
Sie erhob sich und trat an die Brüstung des offenen Fensters, unter welcher der Fels ins Tal abfiel, so daß gerade nur noch die Wipfel der hohen Tannen bis herauf reichten. Wind und Regen schlugen von der Seite herein, La kümmerte sich nicht darum. Die Schulter an die Pfosten des Fensters gelehnt, stand sie hochaufgerichtet, den Elementen trotzend, in ihren Lisschleier gehüllt, dessen Zipfel der Sturm zerzauste. Ihre großen Augen richteten sich gegen den Himmel, als wollte sie den Wetterstrahl herausfordern. Und wie zürnend über die Verwegenheit der Nume öffnete sich die Wolke, und die feurigen Schlangen züngelten nach dem Talgrund, und gleichzeitig dröhnte ein Donnerschlag, der die Luft erzittern machte.
Geblendet und betäubt hatten alle einen Moment die Augen geschlossen.
»La, La«, rief dann Se, »was fällt dir ein, was soll das heißen?«
La stand aufgerichtet wie zuvor an ihrem Platz. Sie schüttelte stolz das Haupt und sprach heiterer als vorher, fast jubelnd:
»Ich kann es, ich kann’s!«
»Wozu das alles!« rief Se. »Komm her zu mir, du wirst völlig naß.«
»Ich will es. Dieser junge Planet tobt wie ein Jüngling in Launen und Übermut, nicht achtend der Geschöpfe, die er behüten soll. Unser Nu ist ein Greis, der uns verwöhnt hat in seiner sicheren Ruhe. So verwöhnt, daß wir die Gefahr suchen mußten draußen im Weltraum. Auf der Erde ist die Jugend mit ihrem Wetterunfug, mit ihrer blinden Torheit, mit ihrem schwankenden Wechsel von Leid und Glück. Zum Leid ward sie mir, zum Glück soll sie mir werden!«
Sie schwieg, noch einmal vom Rollen des Donners unterbrochen. Aber sie hatte den Blitz nicht mehr gesehen, das Wetter war über ihrem Haupt hinweggezogen. Se antwortete nicht. Das Geschick der Freundin stand vor ihrer Seele wie eine Frage, deren Antwort mächtiger und immer deutlicher sich ihr aufdrängte und die sie sich dennoch nicht zu geben wagte. Jetzt lauschte sie wieder auf den Donner, dessen Stärke sich verringert hatte. Sie fühlte sich freier. Der Nachlaß der elektrischen Spannung oder die Entfernung der Gefahr, sie wußte nicht, was es war, aber sie atmete auf. Ihr Blick richtete sich nach dem Weg, wo sie das Knirschen von Tritten vernahm. Der Fremde entfernte sich. Er hatte den Hut in die Hand genommen, deutlich sah sie sein Profil, als er jetzt, einen Blick nach den Wolken werfend, um die Ecke des Weges bog. Und wie ein Aufleuchten der Erinnerung durchzuckte es sie. Das Bild hatte sie gesehen, oft gesehen, und erst heute, die große Kreidezeichnung über Ismas Schreibtisch – nur freilich, älter sah dieser Mann aus, abgehärmter und dennoch, es konnte nicht anders sein… doch es war ja nicht möglich –
Sie wollte etwas zu La sagen. Aber diese stand ganz in den Anblick der Gegend versunken. Und nun fing La aufs neue zu sprechen an, nur mit ihrem eigenen Gedankengang beschäftigt. Und Se wandte wieder der Freundin allein ihre Aufmerksamkeit zu.
Wie in einer stillen Freude begann La:
»Sieh, der Regen wird sanfter, drüben über dem Wald wird’s hell. Und dort über dem Land, o welch ein frohes Wunder, in bunten Farben flammt der Bogen über den Himmel, und grollend zieht der Donner unter ihm hinweg.«
Se stand auf und trat neben La. Die Schritte des Fremden waren längst verhallt. Sie schlang den Arm um die Freundin und fragte: »Was ist es mit dir, La? Ich verstehe dich nicht!«
La blickte schweigend in die Ferne, wo die untergehende Sonne und der abziehende Regen in wundersamer Farbenschlacht sich bekämpften. Dann zog sie Se an sich und sagte: »Ich liebe die Erde.«
Se blickte ihr in die Augen. »Es wird wohl nicht die ganze Erde sein«, sagte sie mit stillem Lächeln. »Komm, wir wollen uns auf diese Bank setzen – der Regen rieselt noch immer im Gebirge –, bis die Wasser von dem Weg sich ein wenig verlaufen haben, und du wirst mir beichten, was du darfst, oder wenigstens, was du vorhast; denn ich ahne wohl, was du fühlst, aber das Ganze, Ungeheure, was du zu wollen scheinst, vermag ich nicht zu
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