AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
der Weber fanden neue Arbeit in neuen Berufen, wenn sie denn die Krise überlebt hatten. Das Leben der Menschen selbst aber hatte sich durch den Wandel in der Technologie grundlegend verändert.
Hätte man etwas tun können, um die Katastrophe zu verhindern? Damals machte sich niemand Gedanken, was mit den Massen von Arbeitslosen geschehen würde. Niemand sah die Armutswelle voraus, jedenfalls nicht mit großer Besorgnis um die Industrie. Niemand kümmerte sich darum, dass »sich Deutschland einen neuen Job suchen musste«. Das ist heute wieder so. Die neuen Technologien ermöglichen dramatische Einsparungen – vor allem durch das Freisetzen von Personal. Niedrig bezahlte Arbeitsplätze fallen weg, durchschnittlich bezahlte werden in den Niedriglohnbereich gedrückt und die verbleibenden Leistungsträger der neuen Welt bekommen richtig gutes Geld, weil es am Anfang der neuen Zeit noch viel zu wenige von ihnen gibt. Wenn sich diese Umwälzung zu schnell vollzieht, kommt eine Armutswelle über das Land und konsequenterweise infolgedessen ein Käuferstreik, der schließlich zum Crash der Wirtschaft führt. Was also hätte man tun können?
Den Wandel in der Schnelligkeit dämpfen und vernünftig steuern, damit die Menschen nicht verhungern und die Unternehmen nicht in den Bankrott gehen.
Einen Teil der Basisinnovationsgewinne an die Mitarbeiter abgeben, damit sie nicht verarmen und es nicht auf diesem Weg zur Katastrophe kommt.
Die arbeitende Bevölkerung auf den Wandel positiv einstimmen und sich um neue Berufe und Industrien bemühen, die durch die neue Technologie möglich werden.
Heute sitzen wir in einer solchen Armutsfalle. Der Wandel kam und kommt weiterhin noch sehr, sehr schnell und wird als solcher in dem Maße gar nicht erkannt. Die Löhne fallen, weil viele der Mitarbeiter vor der vollständigen Automatisierung in Niedriglohnfirmen beschäftigt sind, die »abgespalten« werden. So sollen die Mitarbeiter immer mehr selbst die Risiken der Nichtbeschäftigung tragen. Der Konsum sinkt, die Immobilienpreise fallen, die Banken haben sich schwer verkalkuliert, weil sie immer dachten, dass die Wirtschaft zwangsläufig floriert, wenn die Gewinne steigen. Sie gaben vollkommen sorglos Kredite an jedermann. Die Wirtschaft erstickt aber jetzt gerade an den Gewinnen der letzten Jahre, weil die Mitarbeiter zu wenig teilhaben konnten und als Kunden der Unternehmen ausfallen. Wer das in der Öffentlichkeit zu vertreten wagte, wurde als unbelehrbarer Gewerkschafter oder Linker gescholten. Die Unternehmen wundern sich, dass die einstigen Mitarbeiter nach den technologischen Umwälzungen und Entlassungen plötzlich die heute falsche und unbrauchbare Ausbildung haben (immer noch »Weber« sind). Sie beschimpfen die sich selbst überlassenen Menschen, sich endlich vernünftig weiterzubilden. Wir haben Arbeit genug, behaupten die Unternehmen. Wir suchen Leistungsträger der neuen Welt. Der Mangel an solchen verhindert, dass sich die Wirtschaft erholt. Und sie meinen: Deutschland fällt zurück, weil es an (billigen) Ingenieuren und Informatikern fehlt. So kann es sein, dass die Leistungsträger der neuen Welt dann bis zum Burn-out rund um die Uhr arbeiten, während die anderen zum guten Teil nach Hause geschickt werden, weil sie eine zu geringe oder eine falsche (= alte) Ausbildung haben.
Müssen wir auch diesmal über die volle Distanz dieses ganz breiten Jammertals gehen, weil alle gemeinsam ohne Vorbereitung hineinschlittern und denken, es regele sich irgendwann wieder von allein, wenn nur die Zinsen tief gehalten würden und der Staat genug Schulden macht?
Wir kennen doch das Muster dieser tektonischen Verschiebungen aus der Vergangenheit, die durch neue Technologien ausgelöst wurden. Sollten wir sie nicht als Denkanstoß nehmen, um uns über unsere jetzige Situation klar zu werden und die richtigen Entschlüsse zu treffen?
Statt eine gelehrte Abhandlung zu schreiben, erkläre ich die typischen Veränderungen ganz einfach am »Verschwinden« der Landwirtschaft in Deutschland. Als ich auf einem Bauernhof in Groß Himstedt zwischen Hildesheim und Braunschweig aufwuchs, war gut die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland in der Landwirtschaft tätig. Heute sind es noch knapp zwei Prozent (in Worten: zwei).
Sehen Sie auf meinen Vater in der Mitte der 50er Jahre. Er pflügt mit Pferden. Die brauchen einen Stall und Futter auch im Winter. Urlaub ist fast unmöglich, denn die Kühe, Rinder, Schweine, Hühner, Gänse
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