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Aufbruch der Barbaren

Aufbruch der Barbaren

Titel: Aufbruch der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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seiner Entscheidung, erst nach der Überquerung des Stromes mit den Wölfen zu reden, wenn es dann überhaupt noch notwendig war, nicht zufrieden waren erstarrte in einer so erschreckenden Grimasse, daß die Schamanen fluchtartig das Zelt verließen.
    Aber die Grimasse galt nicht ihnen, sondern der Nässe, die in seinem Wams unaufhaltsam nach unten floß. Hastig zog er seinen Sohn hervor und hielt ihn tropfend der Amme entgegen.
    »Dieser kleine Teufel«, murmelte er, während Urgat ein Lachen nicht unterdrücken konnte.
    Nottr fiel ein, und es löste die Spannung der Wartenden. Der Schamane, der um eine ernste Miene bemüht war, konnte sich nicht enthalten, zu bemerken, daß das sicherlich ein Omen sei und daß er gelegentlich seine Geister darüber befragen werde.
    Es dauerte eine Weile, bis die Amme das Kind schließlich wieder zum Schlafen brachte. Dann war die Mitternacht fast da, mondlos, selbst die Sterne waren nicht zu sehen, da sich den ganzen Abend lang dunkle Wolken von Westen her über den Himmel geschoben hatten.
    Das große Feuer zwischen den Zelten war niedergebrannt. Ein Rest von Schneewasser dampfte noch in einem großen Kessel, der wohl einst eine ugalienische Fürstenküche geziert hatte. Einer der Wachtposten ging gelegentlich darauf zu, wohl um noch ein wenig Opis aufzugießen. Die Pferde stampften unruhig zwischen den Bäumen, und das Knacken von Ästen war zu hören, an deren Rinde sie knabberten.
    Dann war es eine Weile so still, als hätten die Pferde zwischen den Bäumen aufgehört zu existieren. Die Lagerwachen starrten mit abergläubischer Furcht in die Finsternis zwischen den Stämmen und wagten sich ebenfalls nicht mehr zu rühren. Ein Schatten lief zwischen die Zelte und hielt vor Nottres Zelt an.
    Es war zu dunkel, seine Gestalt zu erkennen.
    Nottr fühlte, wie eine starke Schläfrigkeit von ihm Besitz ergriff.
    ,Der Traum’, dachte er erleichtert und voll Furcht zugleich. »Chipaw«, flüsterte er.
    »Mein Nottr«, sagte eine vertraute Stimme liebevoll.
    Der Zelteingang öffnete sich, und die Gestalt glitt herein. Flüchtig sah er ihr Gesicht. Es war so bleich, und ihre Augen waren dunkle Abgründe. Das Haar, das ihr Gesicht umrahmte, war weiß von Rauhreif. Ihre Finger, die sein Gesicht streichelten, waren wie Eis. Sie kam mit der gleichen hungrigen Zärtlichkeit über ihn wie in den vergangenen Nächten, und wie immer in diesem Traum konnte und wollte er sich nicht wehren. Er hatte sich so sehr nach ihr gesehnt, und es war solch ein unvergleichliches Gefühl, zu spüren, wie sie ihre Kälte verlor an seinem Herzen.
    Im Hintergrund seines Geistes waren beunruhigende Erinnerungen, doch er wurde nicht genug wach, sie zu erkennen.
    Doch dann entglitt Olinga plötzlich seinen Armen. Er sah Erschrecken in ihrem Gesicht.
    Dann fiel die Lähmung von ihm ab, und die Erinnerungen waren ganz klar.
    »Urgat!« keuchte er. »Juccru!« Er fror erbärmlich, aber er war vollkommen wach.
    Ihm gegenüber, direkt vor dem Ausgang des Zeltes, kniete der Schamane und hatte die Hände beschwörend erhoben, als wollte er zu Imrirr beten. Ein leerer Becher lag neben ihm, und die Amme kauerte hinter ihm mit dem Kind im Arm. Sie hielt es umklammert, als wollte sie es eher erdrücken, als es sich entreißen lassen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten auf etwas, das Nottr nicht deutlich erkennen konnte, weil es sich vor dem Feuer befand.
    Aber er konnte sehen, daß es eine Gestalt war, die wankte, als wäre sie zu Tode erschöpft.
    Sie sank zu Boden und wand sich mühsam. Der schwache Schein des erlöschenden Feuers fiel nun von der Seite auf sie, und Nottr erkannte sie.
    »Chipaw!« krächzte er und wollte sich über sie beugen.
    Da umklammerten ihn kräftige Arme von hinten und rissen ihn zurück.
    »Wach auf, verdammt!« fluchte Urgats Stimme. Er schüttelte Nottr mit einer grimmigen Wildheit, die diesen verzweifelt nach Luft ringen ließ.
    »Ich bin wach!« keuchte Nottr und versuchte sich freizumachen. Er spürte, wie die Kälte aus seinen Gliedern wich. Urgat hielt ihn mit den Kräften eines Bären.
    »Dann sieh dir den Dämon an!«
    Nottr starrte auf Olinga, die reglos neben dem Feuer lag. Ihr Gesicht war seltsam grau, als läge ein Schatten auf ihm. Ihre Augen waren nicht mehr dunkel und tief, sondern furchterfüllt und wie die eines Tieres, das in die Enge getrieben ist. Sie ließen nicht von Juccrus erhobenen Händen.
    Sie atmete heftig, ihre weißen Hände zuckten. Ihre Füße waren ohne

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