Aufbruch der Barbaren
behaltet ihn als einen tapferen, aber nicht sehr klugen Krieger in Erinnerung.«
Während sich eine Viererschaft daran machte, Ciljos Überreste im Schnee zu vergraben, begann Urgat wieder zu reden:
»Es ist lange her, daß ich in Ullanfort war. Ich muß nach dem Rechten sehen. Rhynnan wird tot sein. Und ich wäre wohl längst so tot wie er ohne Oannons dunkle Kräfte.« Er grinste. »Es geschieht wohl nicht oft, daß diese Dämonenbrut einem ihrer erbittertsten Feinde solch einen Gefallen erweist…« Und grübelnd fügte er hinzu, ohne sich seiner atemlosen Zuschauer bewußt zu sein: »Hier scheint sich nicht viel verändert zu haben, aber ich darf Duldamuurs Kreaturen nicht unterschätzen…«
Dann sah er auf. »Ich weiß nicht, wer Oannon bezwungen hat und wem ich meine neue Freiheit verdanke…«
»Meinen Kriegern«, unterbrach ihn Nottr. »Diesen Barbaren, die du so verachtest. Und es ist einer unserer tapfersten Krieger, dessen Körper du stiehlst…!«
Urgats anderes Ich sah Nottr überrascht an, dann blickte es an sich hinab und nickte schließlich langsam.
»Was redet er da?« fragte Lella verwirrt. »Ich kann ihn kaum verstehen…«
»Wer bist du?« fragte der Schamane, bevor Nottr antworten konnte.
»Ich… bin Magh’Ullan… der Herr über Ullanfort und diesen Wald… Ich bin… im Körper eines Barbaren, sagst du?« Es klang so ungläubig und so entsetzt, daß Nottr ein Grinsen nicht unterdrücken konnte.
»Ein behaarter… primitiver… Wildländer…?«
»Was meint er mit primitiv?« entfuhr es Lella. »Ich habe dieses Wort noch nie gehört. Es klingt…« Sie schüttelte wütend den Kopf, als ihr kein Vergleich einfiel. »So wie er es sagt…«
Urgat-Magh’Ullan blickte sie verwirrt an, und es war ihm anzusehen, daß er ihr narbenzerfurchtes, stolzes Gesicht abstoßend fand.
»Was sagt sie?« fragte er. »Ihn…«, er deutete auf Juccru, »und dich kann ich gut verstehen. Aber sie… es klingt wie das Gebell eines… Hundes.«
Lella hob wütend die Hand, um ihn zu schlagen, aber dann kam ihr in den Sinn, daß es der Körper ihres Bruders war, den sie schlagen würde.
»Wenn es nicht mein Bruder wäre, in dessen Verstand du dich eingenistet hast…!«
»Kein Streit und kein Kampf«, fiel ihr Nottr ins Wort. »Ich will dir etwas sagen, Magh’Ullan von Ullanfort. Es ist Urgat, der Stammesführer der Quaren, über den du im Augenblick Gewalt hast. Ich bin viel herumgekommen und habe Edelleute des Westens gesehen und auch kennengelernt. Daher will ich es dir in Worten erklären, die du verstehst. Urgat ist einer der treuesten und besten meines Gefolges. Er spürte, daß er nicht allein war seit den Tagen seiner Gefangenschaft in Oannons Tempel… daß jemand ihm seinen Körper streitig machen wollte… und ich gab ihm das Versprechen, ihn zu töten, wenn er nicht mehr Herr über sich selbst sein sollte.« Er machte eine Pause, um seine Worte einsinken zu lassen. Dann fuhr er fort: »Nur die schwache Hoffnung, daß du uns helfen könntest, weil du diesen Wald und seine Dämonen kennst, hat mich bisher abgehalten, mein Versprechen zu halten.«
Eine Weile war Schweigen. Dann nickte Magh’Ullan. »Ich verstehe. Und wenn es die Wahrheit ist, was du über Oannons Tempel und meine Befreiung gesagt hast, dann bin ich tief in eurer Schuld.«
»Es ist die Wahrheit.«
»Du wirst mich töten, wenn ich dir nicht mehr von Nutzen bin?«
»Nicht, wenn es einen anderen Weg gibt.«
»Den gibt es vielleicht. Wenn du mir dein Wort gibst, mich zu meiner Festung zu begleiten, um dort nach dem Rechten zu sehen, werde ich wie dieser Urgat einer der treuesten deines Gefolges sein!«
»Deine Festung?«
»Ullanfort. Sie liegt in der Mitte dieses Waldes in einem Tal…«
»Dann haben wir denselben Weg, Edelmann. Du hast mein Wort. Denn auch wir suchen dieses Tal, in dem Schnee und Frost keinen Einzug finden…«
Magh’Ullan sah ihn verwirrt an. »Was meinst du damit, Barbar?«
»Keiner meiner Gefolgschaft nennt mich Barbar«, sagte Nottr kühl.
»Du hast es versäumt, mir deinen Namen zu sagen.«
»Ich bin Nottr, der Hordenführer.«
»Genug palavert!« fuhr Lella dazwischen. »Führ uns zu diesem Tal, wo Sommer ist…!«
»Ich weiß nicht, ob ich ihre wilde Sprache richtig verstanden habe«, sagte Magh’Ullan mit einem edelmännischen Sarkasmus, der wohl angeboren war, »aber wo soll dieses Tal sein, in dem zur Winterzeit Sommer ist?«
»Hier, im Wald!« rief Lella und stemmte’ die Hände in
Weitere Kostenlose Bücher