Aufbruch der Barbaren
die Seiten. »Keine Ausflüchte! Wir waren gestern hier und haben es gesehen!«
Die Krieger ihrer Viererschaft nickten zustimmend.
»Du meinst, es lag kein Schnee?« fragte Magh’Ullan, der ihren raschen, heftigen Worten mit angestrengter Miene gefolgt war und die Sprecherin für nicht ganz richtig im Kopf hielt. Auch das war in seiner Miene zu lesen, und es brachte die temperamentvolle Lella in Rage. Wäre nicht Nottres warnender Blick gewesen, hätte sie weitere Erklärungen wohl mit der Klinge gegeben.
»Das Tal war grün und fruchtbar.
Wir haben Rudel von Wild gesehen. Es roch nach Blüten und war warm wie im Frühsommer.«
Magh’Ullan runzelte die Stirn. »Und ihr wollt in dieses Tal?« fragte er Nottr.
»Wir brauchen Fleisch und Futter für unsere Pferde. Unsere Stämme lagern nicht weit von hier.«
»Wie viele seid ihr?«
Diese Frage ließ Nottr unbeantwortet.
»Du bist vorsichtig, das ist gut, Hordenführer. Eine Eigenschaft, die wir brauchen werden, wenn wir tiefer in den Wald vordringen. In meinen Tagen gab es hier kein solches Tal. Wenn es Winter ist in den Wildländern, dann auch über Ullanfort und allen Tälern diesseits oder jenseits…«
»Du glaubst, daß ich lüge?« sagte Lella grimmig.
Magh’Ullan schüttelte den Kopf. »Nein. Aber was ihr gesehen habt, kann nicht wirklich sein.«
»Ein Zauber?« fragte Nottr.
»Kein gewöhnlicher Zauber. Schwärzeste Magie. Es sieht so aus, als hätten Duldamuurs Kreaturen während meiner Abwesenheit Einzug in Ullanfort gehalten…«
»Duldamuur?« fragte Nottr. »Wer ist er?«
»Ein Dämon, dem ich in meinen Tagen den Kampf angesagt hatte.«
»Ein Dämon? Einer, wie die Priester der Caer sie anbeten…?«
»Ja, die Caer… und andere…«
»Du kämpfst gegen sie? Gegen die Finsternis?« Nottr kämpfte gegen die Aufregung an, die sich seiner bemächtigte.
»In meinen Tagen, den Tagen König Jontis’, kamen die Dunkelmächte immer wieder wie Geschwüre über Tainnia und die Länder ringsum. Viele fochten gegen sie, widmeten ihr Leben, ihre Güter, nur diesem Kampf… auch solche, die nicht dem Orden angehörten. Ullanfort ist solch eine Bastion gegen das Böse.« Er ballte die Fäuste. »Aber nun glaube ich, daß die Finsternis doch eingezogen ist in Ullanfort. Wieviel Zeit mag wohl vergangen sein? Ist Jontis noch König in Tainnia?«
»Ich war lange im Westen und habe viel über Tainnia erfahren. Aber von König Jontis habe ich nie gehört…«
»Wer herrscht jetzt in Tainnia?«
»Die Caer und ihre Dämonen«, erklärte Nottr voll Grimm. »Und nicht nur in Tainnia. Sie greifen nach Dandamar, Darain und selbst Ugalien. Und es heißt, wenn der Winter vorüber ist, werden sie nach den Wildländern greifen…«
»Es sieht aus, als hätten sie das Ende des Winters nicht abgewartet«, erwiderte Magh’Ullan bitter. »Ich bin zu spät zurückgekehrt…«
»Wenn dein Kampf den Caer und ihren Dämonen gilt, dann ist es auch unser Kampf«, erklärte Nottr. »Auch Urgats Kampf, und er würde mich meines Versprechens entbinden…«
Ein Hoffnungsschimmer kam in Urgat Magh’Ullans Züge.
»Was können wir tun?« fragte Nottr. »Wir haben nicht viel Zeit, wenn die Horde nicht hier am Strom des Lebens Hungers sterben soll.«
»Wie viele Männer hast du?«
»Gut neuntausend Krieger und Kriegerinnen.« Nottr grinste über das ungläubige Staunen Magh’Ullans, das Urgats Züge erfüllte.
»Sie lagern hier?«
»Sie könnten vor dem Mittag hier sein.«
»Ihr Götter!« flüsterte Magh’Ullan ergriffen.
»Soll ich sie rufen?«
»Nein… nein!« Magh’Ullan schüttelte Urgats Kopf. »Körperkraft, selbst zehntausendfach, vermag nichts gegen die Kräfte der Schwarzen Magie. Und ich habe Heere gesehen, die von ihren Dämonen besessen waren, so wie ich von deinem Gefolgsmann Besitz ergriffen habe. Nein, es könnte geschehen, daß wir deine zehntausend in eine Falle führen, die für sie gedacht ist. Ich bin sicher, der Zug deiner Horde ist nicht unbeobachtet geblieben, Nottr…!«
»Das habe auch ich gedacht, vor allem, als wir auf den Eiszauber stießen, der die Furt am Strom des Lebens unpassierbar macht.«
»Ein Eiszauber?« fragte Magh’Ullan alarmiert.
Nottr berichtete von den eingefrorenen Ugalienern und Caer und von der Wirksamkeit des Zaubers, und Magh’Ullan zweifelte nicht an einem Zusammenhang zwischen der Furt und dem unwirklichen Tal. Und Nottr zweifelte nun keinen Atemzug mehr, daß es ihr gemeinsamer Kampf war, den sie nun
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