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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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Hanni. »Wat soll dat denn sein? Und warum soll denn dat Jesäß zurückgehalten werden? Isch jlaub, die so wat schreiben, sind selber beflockt!«
    Ich prostete Hanni mit der Kaffeetasse zu.
    Die Tante kniff den Mund zusammen, bis er klein und hart aussah. Sie machte ernst: »Maria«, sagte sie, »schreib auf: Nummer fünfzehn, Größe einhundertvier. Hüftgürtel mit dreifach verstärkter Magenpatte, zweiundvierzig Zentimeter hoher Rückenschnürung, elastische Einsätze aus Elastinova-Gummi um Taille, Schenkelpartie und Schritt. Das reich garnierte Vorderteil ist gefüttert und mit Kombinationsspirale sowie fester Feder versehen. Seitlich Hakenverschluss. Farbe: lachs. Kostet misch dreiundzwanzig Mark neunzig.«
    »Mein Hüfthalter bringt misch um.« Die Mutter strich sich über die schlanken Schenkel.
    »Da jehs de am besten in Deckung, wenn die Mama die anhat.« Hanni grinste mich an. Und zu ihrer Mutter: »Bis de sischer, dat dat Ding nit scharf schießt?«
    »Scharf schießen? Wat soll dä Kokolores?«, giftete die Tante. »›Aller Chic fängt bei den Miedern an.‹ Steht hier.«

    »Un ne Magenpatte«, Hanni stupste mich in die Rippen, »so wat jibet doch ja nit auf Englisch, wat, Hilla?«
    »Nu lass die Mama doch in Ruh«, wies Maria die Schwester zurecht. »Mir haben noch viel zu tuen. Kuck mal hier, die Nachthemden.«
    »Nä, wart mal«, schaltete sich die Mutter ein. »Isch schenk dä Oma zu Weihnachten ne Garnitur. Hier kuck mal.«
    »Ha«, stieß Hanni hervor. »Jarnitur heißt jetzt set. Is ja wohl auch Englisch, wat, Hilla?«
    »Richtig«, sagte ich, »to sit, set, set. Sitzen, saß, gesessen.«
    »Un wat hat dat mit ner Jarnitur zu tun?«, fragte die Mutter misstrauisch.
    »Ja, die Wäsch muss doch sitzen«, wagte Maria eine Interpretation.
    »Dann müsste et aber sit heißen, wat Hilla?«, hakte die Mutter nach.
    »Naja, set meint: Es passt zusammen«, sagte ich zögernd.
    »Et passt zusammen«, trumpfte die Tante auf, »wie bei Sofa und Sessel. Da sagen wir ja auch nit set. Also: Ich bestell ne Jarnitur. Dann sajen wir auch weiter Jarnitur. Wat, Maria?«
    »Aber hier: Dat ist für die Oma noch besser. ›Helix - das moderne Katzenfell‹«, las die Mutter.
    »Du jlaubst doch nit, dat die Oma dat Katzenfell wegtut«, fuhr die Tante dazwischen. »Dat hätt die doch ald seit isch denke kann. Die trick doch jitz nit ene Spenzer an.«
    Zeitweilig trug die Großmutter im Winter sogar drei Katzenfelle: Ein beinah weißes mit nur ein paar schwarzen Flecken um die Schulter, ein graues vor dem Bauch, ein rotes um die Nierengegend. »Fussisch wärmt am besten«, kommentierte sie diese Verteilung.
    Stimmt, dachte ich, auch mich in meinem Holzstall.
    »Ach wat«, sagte die Mutter, »auch die Oma muss mit der Zeit jehn. Die kriescht von mir eine Spenzer. Un wenn sie den nit will, zieh isch dä an. Zarte Spitze am Halsausschnitt, jut anliegend.« Raffiniert von der Mutter.

    Maria notierte den Spenzer und schlug die Nachthemden auf.
    Mutter und Tante zeigten an der endlosen Parade wenig Interesse. Nachthemden gab es Weihnachten. Musste man sich selbst eines kaufen, wusste ganz Dondorf, was das bedeutete: Krankenhaus.
    Doch Hanni und Maria steckten die Köpfe zusammen über vierundsechzig Nachthemden gegen elf Schlafanzüge.
    Die Frauen waren still geworden. Erschöpft saßen sie vor dem überwältigenden Angebot und wischten sich die Stirn.
    »Keine Müdischkeit vortäuschen«, kommandierte die Tante. »Ihr wisst doch: ›Eine Entdeckungsreise im Quelle-Katalog lohnt sich.‹«
    »Jo, aber auch auf Reisen muss man mal ein Päuschen machen«, sagte Hanni. »Noch ein Tässje?«
    Die Frauen brauchten Stärkung. Die Diskussion um die typgerechte Kittelschürze stand bevor. In Nachbarschaft und Familie ließen einzig die Großmutter Kittel kalt. Sie bestand auf ihrer umfänglichen Schürze. Werktags grau-blau kariert, sonntags hellblau, hohlsaumverziert; einzig dem Ohm trug sie in einer weißen Halbschürze auf.
    »Aha«, Hanni zog den Katalog zu sich heran. »Hier sind sie: ›Kleidsame Mode für Haus und Beruf. So angezogen macht die Hausarbeit noch mal so viel Spaß!‹«
    Ich sah Hanni über die Schulter. Kittel, so weit die Seiten trugen, ›für moderne Hausfrauen‹, wurde Blatt für Blatt versichert.
    Gut, dass der Wäschemann sich dieser Konkurrenz nie stellen musste. Diese Schwemme »ansprechender Druckmuster«, Blumen, Ranken, Schlingen, Schäfchen, Äffchen, Pferdchen, Mickymäuse, hätte selbst einen

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