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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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Schwadlapp 60 wie ihn hinweggespült.
    Keine der gedruckten Frauen war über dreißig, eher um die zwanzig, und alle lächelten hocherhobenen Hauptes in die
Kamera, als sei Hausarbeit im Müßiggang die selbstverständlichste Haltung der Welt. Ausnahmslos steckte eine Hand in der Kitteltasche, mal die rechte, mal die linke, wobei der Daumen kokett über den Kitteltaschenrand hinausragte oder locker abgespreizt schräg nach unten hinaushing, diskret dorthin weisend, wo die Frau gemacht, wie Gott sie schuf, jenseits von Kittelkleid, Wickelschürze, Hängerform und Kasack.
    Eisig rein ragte in die ausgelassene Versammlung einzig eine einsame Frau in weißem Kittel. Gestraft mit einer dicken schwarzrandigen Brille, warnende Abschreckung vor den entstellenden Folgen akademischer Plackerei.
    »Und am Ende nimms de dann doch wieder die Wickelschürze, passend für jede Fijur«, spottete Hanni.
    »Dat jlaubs du«, konterte die Tante, »die Kittel jibet all bis Größe vierundfünfzig. So, Maria, schreib auf: ›schlankmachende Prinzessform.‹ Sogar bis Größe sechzig. Da passt hier noch wat rein.« Die Tante klopfte sich den Bauch.
    »Aber fünf Mark teurer. Täts de abnehmen, könns de doppelt sparen.«
    »Nun macht mal Pause.« Maria zog eine Zeitschrift heran. Die neue Frau und Mutter . »Jetzt könntest du«, wandte sie sich an die Schwester, »dä Ferdi sojar heiraten, auch wenn der nit katholisch jeworden wär.«
    »Un en Ei vom Konsum.« Hanni zuckte die Schultern.
    Aber die Mutter fragte interessiert: »Seit wann dat denn?«
    »Dat hat der Papst verkündet«, verkündete Maria im Bewusstsein ihres Anteils an päpstlicher Autorität. »Katholiken werden deswejen nit mehr aus der Kirsch jeschmissen.«
    »Jonge, Jong«, sagte die Mutter, »wenn dat die Oma hürt.«
    »Un dat Hilla«, Maria nickte mir zu, »darf bald alle Bööscher lese. Der, wie hier steht, ›Index‹ soll abjeschafft werde.«
    »Index?«, wiederholte die Tante.
    »Index«, sagte ich, »haben auch die Römer schon gesagt. Ganz genau so. Index, das ist ein Verzeichnis. Für alle möglichen Sachen. Hier meint es: verbotene Bücher.«

    »Ja«, stimmte Maria zu. »Eine Liste. Hier steht: vierhundertzweiundneunzig Bücher sind da drauf.«
    »Un warum?«, forschte die Tante.
    »Sischer Schweinkram«, kicherte Hanni. »Dat sechste Gebot. Vor dem Film Die Sünderin hat der Kreuzkamp doch damals auch von der Kanzel eraff jewarnt. Und dann sind mer doch jrad reinjegangen. Sonst hätt uns dat doch jar nit interessiert.«
    »Und gegen Schweigen haben sie auch gepredigt. Besonders in Bayern«, sagte ich, sah aber an den verständnislosen Blicken der Frauen, dass sie mit Ingmar Bergmans Film nichts anzufangen wussten.
    »Wat solle die alte Kamelle. Dä Ferdi is doch längs e Engelsche im Himmel. Mir sind doch hier noch nit fertisch.« Die Tante spießte den Zeigefinger in einen türkis-kanariengelben Kittelrumpf.
    »Oder in de Höll!«, konnte sich Maria zu ergänzen nicht verkneifen.
    »Un isch hab noch mal Jlück jehabt«, Hanni klopfte ihr Bäuchlein. »Ävver su mansch einer muss jetzt nit mehr so oft in de Cascade-Schuppen.« Hanni blies die Backen auf. Nun war ich es, die keine Ahnung hatte.
    »Kenns de doch«, kicherte Maria: »Cascade, dat Waschpulver. ›Zwingt Grau raus und Weiß rein.‹ Cascade-Schuppen is ene Beichtstuhl.«
    »Kokolores!«, schnitt die Tante ihr das Wort ab. »Wat wolle mir denn noch ankucke? Hier, lurens!« Die Stimme der Tante schwankte zwischen Empörung und Belustigung. »Lauter ›Hosen für die Dame‹. Sojar janze Anzüje!«
    »Lass dat ja nit die Oma sehen!«
    »Ja«, lachte Hanni. »Wenn die Frauen in Männerkleidern jehen, is dat Ende der Welt nahe! Wisst ihr noch, wie dat Hilla immer die lange Botz ausziehen musste, wenn der Ohm kam? Weiß de dat noch Hilla?«
    Und ob ich das noch wusste! Aus dem letzten Quelle-Katalog hatte die Großmutter die Seiten mit den Mädchenhosen
herausgetrennt und verbrannt. Dieses neue Exemplar musste man vor ihr in Sicherheit bringen.
    Zwar kamen auf fast siebzig Kittel nur fünf Hosenanzüge, doch diese »Frauen in Männerkleidern« waren ernstzunehmen. Sie brauchten keine Miniröcke und Negligés, um mit den »Waffen der Frau« nach Art listiger Sklaven Scheinsiege zu erringen. Die Eroberung von Sakko und Hose kündigte das Zeitalter der Ernsthaftigkeit an. Der Ebenbürtigkeit. Diese Frauen waren bereit und entschlossen, sich weit mehr anzueignen als ein Kleidungsstück. Diese kleine

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