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Aufbruch zu den Sternen - Roman

Aufbruch zu den Sternen - Roman

Titel: Aufbruch zu den Sternen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Geistigkeit war Dirk nicht völlig frei von Furcht vor der Wissenschaft, die seit den großen Entdeckungen der Viktorianischen Epoche weit verbreitet war. Er fühlte sich nicht nur isoliert, sondern zuweilen auch durch seine neue Umgebung bedrückt. Die wenigen Leute, mit denen er sprach, zeigten sich stets von der entgegenkommendsten und höflichsten Seite, aber eine gewisse Schüchternheit seinerseits sowie die Begierde, sein kompliziertes Thema in allen seinen Zusammenhängen in der kürzesten Frist zu bewältigen, machten ihn fast ungesellig. Er fand die Atmosphäre innerhalb der Organisation, die auf eine fast aggressive Art demokratisch war, nach seinem Geschmack; später würde es leicht genug sein, alle die Leute kennenzulernen, deren Bekanntschaft er zu machen wünschte.
    Im Augenblick kam Dirk nur zu den Mahlzeiten mit Leuten außerhalb seiner Abteilung in Berührung. Die kleine Kantine im Interplanetarium wurde abwechselnd von der gesamten Belegschaft vom Generaldirektor abwärts besucht. Geleitet wurde sie von einem experimentierfreudigen Komitee, und obwohl mitunter kulinarische Katastrophen zu verzeichnen waren, schmeckte das Essen gewöhnlich ausgezeichnet. Soweit Dirk mitreden konnte, mochte es völlig gerechtfertigt sein, dass man sich im Interplanetarium der besten Küche in ganz Southbank rühmte.
    Da seine Lunchzeit wie das Osterfest stets verschieden fiel, sah er fast täglich neue Gesichter und kannte schon bald die wichtigsten Mitglieder der Organisation vom Ansehen her. Niemand nahm irgendwelche Notiz von ihm; im Hause wimmelte es von Zugvögeln von den Universitäten und der Industrie aus aller Welt, und man schien ihn ebenfalls nur für einen durchreisenden Wissenschaftler zu halten.
    Durch Vermittlung der amerikanischen Botschaft war es dem College, zu dem Dirk gehörte, gelungen, eine kleine Dienstwohnung für ihn aufzutreiben, die ein paar hundert Meter von Grosvenor Square entfernt lag. Er lief jeden Morgen bis Bond Street Station und nahm von dort die U-Bahn bis Waterloo. Er lernte sehr bald den ersten Andrang in den frühen Morgenstunden vermeiden, kam aber nur selten später zum Dienst als viele andere leitende Angestellte auch. Unregelmäßige Dienststunden waren in Southbank gang und gäbe. Obwohl Dirk manchmal bis Mitternacht im Büro blieb, herrschte stets noch irgendwo Betriebsamkeit – gewöhnlich in den Forschungsabteilungen. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und sich ein wenig Bewegung zu verschaffen, spazierte er oft auf den verlassenen Korridoren entlang und prägte sich die Lage interessanter Abteilungen ein, die er eines Tages vielleicht offiziell aufsuchen musste. Auf diese Art verschaffte er sich einen besseren Überblick als durch die umständlichen und oft überarbeiteten Organisationstabellen, die Matthews ihm geliehen hatte – und die er sich immer wieder zurücklieh.
    Auf seinen Gängen kam Dirk häufig an halboffenen Türen vorbei, die einen flüchtigen Blick auf unordentliche Laboratorien und Werkstätten freigaben, in denen finster dreinblickende Techniker vor Gerätschaften saßen, die offenbar nicht funktionieren wollten. Wenn es schon sehr spät war, verschwamm das Ganze meistens in einer Wolke von Tabakrauch, und im Vordergrund nahmen unweigerlich ein elektrischer Kocher und eine vom häufigen Gebrauch mitgenommene Teekanne den Ehrenplatz ein. Mitunter kam Dirk gerade in einem Augenblick technischen Triumphes dazu und musste sehr vorsichtig sein, wenn er nicht aufgefordert werden wollte, von dem zweideutigen Getränk zu kosten, das die Techniker ununterbrochen zusammenbrauten. Auf diese Art kam er mit vielen Leuten oberflächlich in Fühlung, kannte jedoch kaum ein Dutzend von ihnen beim Namen.
    Im Alter von dreiunddreißig Jahren war Dirk Alexson noch immer sehr zurückhaltend gegen seine Umwelt. Er fühlte sich glücklicher in der Vergangenheit und zwischen seinen Büchern, und obwohl er in den Vereinigten Staaten ziemlich weit herumgekommen war, hatte er sein Leben hauptsächlich in akademischen Kreisen verbracht. Er genoss die Anerkennung seiner Kollegen, die ihn für einen stetigen und gründlichen Arbeiter hielten mit einem fast intuitiven Blick für das Entwirren komplizierter Situationen. Niemand konnte sagen, ob einmal ein großer Historiker aus ihm werden würde, doch war schon seine Studie über die Medicis als hervorragend bewertet worden. Seine Freunde hatten nie begreifen können, wie ein Mensch seines gelassenen Temperaments imstande

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