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Aufenthalt in einer kleinen Stadt

Aufenthalt in einer kleinen Stadt

Titel: Aufenthalt in einer kleinen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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    überstürzt. Kommen Sie nicht gleich mit einem Geständnis, suchen Sie zu erfahren, wie weit die schon im Bilde sind. Ich meine es gut mit Ihnen, glauben Sie mir.«
    Beins Unverschämtheit sei ebenso groß wie seine Naivität, lachte de Schangnau. »Ich werde die Brüder vor allem einmal bitten, Sie anzuhören.«
    Der junge Mann schüttelte traurig den Kopf. »Sie verkennen die Situation«, sagte er. »Ich bin überzeugt, daß die Polizei nicht ahnt, wer den Stöpsel demolierte. Es wäre nicht fair, sich unter diesen doch günstigen Umständen fallenzulassen und zu gestehen.«
    Da ihn das wunderliche Ansinnen Beins belustigte, schüttelte de Schangnau den Kopf, wenn auch nicht ohne eine unerklärliche Beunruhigung. Auch bemerkte er, wie jenseits der Straße immer noch der Stadtbaumeister stand. Nichts schien sich seit dieser merkwürdigen Begegnung verändert zu haben.
    »Ich bin ehrlich mit Ihnen«, fuhr Bein fort, nun schlotternd vor Kälte und dampfenden Atems. »Meine Chance ist, zwanzigtausend zu verdienen, und Sie wünschen davonzukommen.
    Wenn Sie sich der Polizei übergeben, bin ich verloren, weil ich das Geld nicht habe, und Sie sind es, weil Ihnen niemand glauben wird. Gestehen Sie nicht, besteht Hoffnung, daß ich ein kleines Vermögen finde, sei es auch, indem es mir gelingt, Sie zu töten, doch besteht auch Hoffnung für Sie: die nämlich, daß Sie mich besiegen und Konigen unerkannt verlassen. Sie bleiben frei, wenn Sie sich nicht der Polizei übergeben, damit treten Sie jedoch auch in eine Zone der Gefahr und des Kamp-fes, das gebe ich zu. Doch gerade dies sollte einer nicht ver-meiden. Leben Sie wohl, Freiherr, Sie haben sich zu entschei-den. Es war ein Gespräch unter Männern. Ich hoffe, Sie wiederzusehen, mein schweres Ziel zu erreichen, und wünsche Ihnen alles Gute.«
    Bein nahm die Hand seines Töchterchens und schritt der Altstadt zu, wandte sich jedoch noch einmal um. »Das Leben, 32

    nurdas Leben«, stammelte er und winkte wehmütig dem Bankier zu, der denn auch dem Anfänger in einem so bedenk-lichen Beruf zunickte, so daß sie nicht unfreundlich voneinan-der schieden.

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    Erstes Telefongespräch

    Nach zwei Schritten in der Richtung auf den Centralplatz hin blieb er wieder stehen und begann an seine Ehe zu denken.
    Unvermittelt, möglicherweise um nicht über seinen Fall, über die Zerstörung des Stöpsels, über Bein nachdenken zu müssen.
    Er stand vor dem Schaufenster der Metzgerei Ziel.
    Madeleine Le Locle hatte er vor nun zwölf Jahren geheiratet, die Ehe war die ersten Jahre glücklich gewesen; mit dem jungen Bankier, der sein Geld verschleuderte, ließ sich leben, doch dann war die Ehe abgestorben, wie ein Baum plötzlich abstirbt, dachte de Schangnau, man weiß nicht, warum. In diesem Augenblick vor der Metzgerei Ziel mußte er sich überlegen, wie eigentlich seine Frau jetzt aussehe, er sah immer das blonde verfrorene Mädchen vor sich mit dem dünnen roten Rock, das ihn zu Bein gebracht und ihn an seine Tochter Yvette erinnert hatte, wenn er an Madeleine dachte.
    Vielleicht, daß seine Frau in der Jugend so ausgesehen hatte oder daß sie jetzt so aussah, so frierend, so arm. Er wünschte mit einemmal, mit ihr zu telefonieren, und wollte schon die Straße überqueren, weil eine Telefonkabine auf der anderen Straßenseite stand, doch hielt er ärgerlich inne. Er hatte kein Geld.
    Er schritt zu seinem Hotel zurück, froh, ohne daß er sich dies recht eingestand, seinen Besuch bei der Polizei aufschieben zu können. Zwar verirrte er sich. Er stand unvermutet von neuem vor dem Stöpsel, flüchtete zurück, stand wieder vor ihm. Nun war auch die Presse angerückt, Photographen, Journalisten, eine noch größere Menschenansammlung als vor einer Stunde.
    De Schangnau erreichte den ›Wilhelm Tell‹.

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