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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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das Licht auszuschließen. Die Berührung unsichtbarer Wesen war federleicht, doch plötzlich so kalt wie Raureif.
    Boris hatte seine Furcht fast vergessen, doch nun kehrte sie zurück. Und weil Vertrautheit Geringschätzung gebiert, hatte er ebenso fast vergessen, wie viel Böses jene Stimme in seinem Kopf in sich barg. Nun wurde er auch daran erinnert: Kind, führe mich nicht in Versuchung! Es wäre kurz, es wäre süß und es wäre zwecklos. Es ist nichts dran an dir, Dragosani, und deinem Blut fehlt es an Substanz. Ich würde gierig trinken – und was bist du schon außer einem Häppchen?
    »Ich – ich gehe dann jetzt ...«
    Ja, tu das. Komm zurück, wenn du ein Mann bist und nicht nur ein Ärgernis.
    Und als er schnell und zitternd den Ort verließ und auf den sauberen Schnee der Feuerschneise zusteuerte, rief er über die Schulter zurück: »Du bist nur ein totes Ding. Du weißt gar nichts! Was kannst du mir schon sagen?«
    Ich bin ein untotes Ding. Ich weiß alles, was man wissen muss. Ich kann dir alles erzählen.
    »Worüber?«
    Über das Leben, über den Tod, über den Untod!
    »Davon will ich gar nichts wissen!«
    Das wird sich ändern.
    »Und wann wirst du mir diese Dinge erklären?«
    Wenn du sie verstehen kannst, Dragosani.
    »Du hast gesagt, ich wäre deine Zukunft. Du hast gesagt, du wärst meine Vergangenheit. Das ist gelogen. Ich habe keine Vergangenheit. Ich bin nur ein Junge.«
    Ach? Ha, ha, ha! Das stimmt, das bist du. Doch in deinem dünnen Blut fließt die Geschichte einer Rasse, Dragosani. Ich bin in dir und du in mir. Und dein Geschlecht ist ... uralt! Ich weiß alles, was du wissen willst, alles, was du jemals wissen wollen wirst. Ja, und dieses Wissen wird deines sein, und du wirst einer Elite und einem uralten Orden angehören.
    Boris war schon auf halbem Wege zur Schneise. Bis zu diesem Punkt hatte er die Unterhaltung zum Teil mit gespieltem Mut und zum Teil mit Entsetzen bestritten – wie ein Mann, der im Dunkeln pfeift. Nun, da er sich sicherer fühlte, wurde er wieder neugierig. Er hielt sich an einem Baumstamm fest, wandte sich um und fragte: »Warum bietest du mir das an? Was willst du von mir?«
    Nichts, was du nicht aus freien Stücken gibst. Nur das, was du mir geben willst. Ich möchte einen Teil deiner Jugend, deines Blutes, deines Lebens, Dragosani, auf dass du in mir leben kannst. Und dafür wird dein Leben so lange dauern wie das meine – vielleicht noch länger.
    Boris spürte etwas von dieser Lust, dieser Gier, diesem ewigen und endlosen Verlangen. Er glaubte zu verstehen, und die Dunkelheit hinter ihm schien anzuschwellen und auf ihn zuzujagen wie eine schwarze, giftige Wolke. Er wandte sich ab und floh, und vor sich sah er zwischen den schwarzen Baumstämmen das blendende Weiß der Schneise. »Du willst mich töten!«, seufzte er. »Du willst mich tot, wie du es bist!«
    Nein, ich will dich untot. Da existiert ein Unterschied, und dieser Unterschied bin ich. So wie auch du. Es liegt dir im Blut – es liegt in deinem Namen, Dragosaaaniii ...
    Und als die Stimme verstummte, erreichte Boris endlich die Feuerschneise. Im schwindenden Licht fühlte er die Furcht wie eine Last von sich weichen, fühlte sich merkwürdig erhaben, und er hielt sich aufrecht, als er zum Fuß des Hügels hinabstieg und seinen Schlitten fand.
    Bubba hatte dort geduldig auf ihn gewartet, doch als Boris die Hand ausstreckte, um ihn zu streicheln, knurrte der Hund und wandte sich ab, wobei sich sein Rückenhaar aufrichtete.
    Von da an wollte Bubba nichts mehr mit dem Jungen zu schaffen haben ...
    Unter Dragosanis Blick schmolz der Schnee der Erinnerung, und die Hügel waren wieder grün. Die alte Narbe der Feuerschneise war noch immer da, fügte sich nach zwanzig Jahren Wachstum aber besser in die natürlichen Konturen des Hügels ein. Die Schösslinge waren zu Bäumen geworden, ihr Laub dicht, und in weiteren zwanzig Jahren würde es schwierig zu erkennen sein, dass dort je eine Feuerschneise gewesen war.
    Dragosani nahm an, dass es im Landwirtschaftsministerium, das für diese Gegend zuständig war, noch immer eine Klausel gab, die Bebauung, Bepflanzung oder Beweidung auf dem grünen Kreuz der Hügel untersagte. Ja, denn trotz Kinkovsis Mangel am typisch bäuerlichen Aberglauben (was zweifellos mit dem derzeitigen Touristenstrom zusammenhing) lebten die alten Ängste fort. Es gab noch immer Tabus, auch wenn ihre Ursprünge vergessen waren. Es gab sie so sicher wie dieses Ding in der Erde. Die

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