Auferstehung 2. Band (German Edition)
zu Tode gepeitscht und wie ihr in diesem Augenblick das Herz im Leibe gesprungen war. Die Schönheit berichtete, wie man Tschegloff geschlagen, ohne daß er ein Wort der Klage hören ließ. Dann nahm Fenitschka den Thee fort; die Korablewa und die Eisenbahnwärterin nahmen wieder ihre Näharbeit auf, während die Maslow sich mit hochgezogenen Knieen auf ihrem Bette ausstreckte. Sie wollte ein bißchen schlafen, um die Langeweile zu verscheuchen, als die Aufseherin ihr sagte, sie solle sich ins Bureau begeben, es wäre ein Besuch für sie da.
»Sprich nur ja mit ihm von uns!« sagte die alte Betschwester zur Maslow, während diese ihre Haare vor einem halbstumpfen Spiegel zurechtmachte. »Du wirst ihm sagen, wir hätten das Feuer nicht angesteckt, sondern der Schenkwirt, der Hallunke, hat es selbst gethan; ein Arbeiter hat es gesehen! Sage ihm, er solle Mitri rufen lassen! Mitri wird ihm alles erklären, so klar wie die Handfläche. Uns, die wir nichts gethan haben, hat man ins Gefängnis geworfen, während er, der Hallunke, in der Schenke mit dem Weib des andern den Zaren spielt, und mein Alter niemand hat, der ihm seine Läuse abfängt!«
»Ich werde es ihm sagen; gewiß werde ich es ihm sagen!« versetzte die Maslow.
»Vorwärts!« fügte sie dann hinzu, »trinken wir noch einen Schluck, um uns Mut zu machen!«
Die Korablewa goß ihr ein Glas Branntwein ein. Die Maslow leerte es in einem Zuge, wischte sich den Mund und eilte mit demselben fröhlichen Lächeln, mit dem sie zu trinken verlangt, »um sich Mut zu machen«, zu der Aufseherin, die im Gange auf sie wartete.
Vierzehntes Kapitel
Nechludoff war schon lange im Gefängnis. Er war sehr früh gekommen und hatte der Schildwache und einem Aufseher den Erlaubnisschein des Staatsanwalts gezeigt.
»In diesem Moment ist es unmöglich,« erklärte der Aufseher; »der Direktor ist beschäftigt.«
»Im Bureau?« fragte Nechludoff.
»Nein, hier, im Sprechzimmer!« versetzte der Aufseher mit einer gewissen Verlegenheit.
»Ist Besuchstag?«
»O nein, in einer andern Angelegenheit!«
»Und wie kann ich den Direktor sprechen?«
»Sie müssen hier auf ihn warten. Er wird gleich vorbeikommen, dann können Sie mit ihm sprechen.«
Einige Minuten darauf sah Nechludoff einen jungen Unteroffizier mit glitzernden Galons, schneidig und mit hochgedrehtem Schnurrbart in den Saal treten; als derselbe ihn bemerkte, wandte er sich mit strenger Miene zu dem Aufseher und sagte:
»Warum haben Sie hier Leute hereingelassen? Nach dem Bureau sollen Sie doch alles schicken.«
»Man sagte mir, der Direktor würde hier durchkommen; ich habe mit ihm zu sprechen!« sagte Nechludoff überrascht, als er auf dem Gesicht des Unteroffiziers denselben verlegenen Ausdruck bemerkte, der ihm schon bei dem Aufseher aufgefallen war.
In diesem Augenblick öffnete sich die Thür, durch die der Unteroffizier eingetreten war, von neuem, und ein Aufseher, ein wahrer Koloß, trat erhitzt, ganz in Schweiß gebadet, ein. Das war der berüchtigte Petroff.
»Daran wird er denken!« erklärte er, sich an den Unteroffizier wendend.
Doch dieser machte ihn mit einer Kopfbewegung auf die Anwesenheit eines Fremden aufmerksam, und Petroff ging, ohne ein Wort hinzuzufügen, durch eine andere Thür hinaus.
»Wer wird an etwas denken? Und warum sehen sie alle so verlegen aus?« fragte sich Nechludoff.
»Hier wird nicht gewartet! Gehen Sie gefälligst ins Bureau!« sagte der Unteroffizier zu ihm, und Nechludoff wollte bereits hinausgehen, als er durch dieselbe Thür, wie die beiden andern, den Direktor erscheinen sah. Er schien noch verlegener, als seine Untergebenen, und sah vor Aufregung ganz entstellt aus.
Nechludoff sprach ihn an und zeigte ihm den Erlaubnisschein des Staatsanwalts.
»Fedoroff!« rief der Direktor einem der Aufseher zu; »holen Sie mal gleich die Maslow! Fünfter Frauensaal! Sie soll in das Advokatensprechzimmer geführt werden.«
Dann wandte er sich zu Nechludoff:
»Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten?«
Sie stiegen eine Wendeltreppe hinauf und traten in ein kleines Zimmer, das mit einem Tisch und einigen Stühlen möbliert war.
Der Direktor setzte sich und sagte seufzend, während er eine dicke Cigarette aus seinem Etui nahm:
»Welch hartes Handwerk! Welch hartes Handwerk!«
»Sie scheinen abgespannt?«
»Mein ganzer Dienst ist mir zuwider! Es sind wirklich zu harte Verpflichtungen! Man möchte diesen Elenden ihr Schicksal erleichtern, und alles, was man thut, macht die Sache
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