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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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fragte:
    »Nun, was beschließt ihr hinsichtlich der Überlassung meiner Aecker, willigt ihr ein? und welchen Pachtpreis bietet ihr mir?«
    »Sie sind der Händler, Sie müssen den Preis festsetzen.«
    Nechludoff setzte einen Preis fest, der weit geringer war, als der, den man gewöhnlich zahlte; doch die Bauern fingen natürlich trotzdem zu feilschen an und fanden ihn zu hoch. Nechludoff hatte erwartet, sein Vorschlag würde mit Begeisterung aufgenommen werden, doch er hatte sich geirrt und von der Freude der Bauern war, wenn sie überhaupt vorhanden war, nichts zu merken. Endlich wurde mit Hilfe des Verwalters ein Preis festgesetzt, man kam über die Zahlungstermine überein, die Bauern zerstreuten sich unter lautem Geschrei und heftigen Bewegungen, und Nechludoff ging wieder ins Bureau, um den Pachtvertrag aufzusetzen. Am nächsten Morgen, als er alles mit dem Verwalter erledigt, fuhr er wieder nach dem Bahnhof. Die Bauern, denen er begegnete, zankten und stritten sich noch immer und schüttelten mit unzufriedener Miene den Kopf. Und auch er war mit sich selbst unzufrieden, ohne zu wissen, warum; unwillkürlich fühlte er sich traurig und schämte sich ein wenig.
     
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    Von Kuzminskoja begab sich Nechludoff nach der Besitzung, die er von seinen Tanten geerbt, und auf der er einst Katuscha kennen gelernt. Auch hier wollte er sich, wie in Kuzminskoja, mit den Bauern wegen Ueberlassung seiner Aecker verständigen und sich gleichzeitig möglichst genau nach Katuscha und ihrem Kinde erkundigen. War das letztere wirklich tot, oder hatte seine Mutter es nur im Stiche gelassen?
    Er kam ziemlich früh in das Dorf, in welchem die Besitzung lag, und war zuerst, als er in den Hof trat, von dem Verfall aller Gebäude heftig betroffen. Nur der Garten war nicht nur nicht verfallen, sondern hatte sich frei und ungehindert entwickelt, alles stand in voller Blüte.
    Der Inspektor, ein durchgefallener Seminarist, kam Nechludoff lächelnd entgegen; lächelnd forderte er ihn zum Eintritt auf, und lächelnd ließ er ihn im Bureau Platz nehmen, gerade, als wenn er durch sein Lächeln irgend etwas Besonderes ausdrücken wollte.
    »Um wieviel Uhr befehlen Sie das Mittagessen?« fragte er den Gutsherrn lächelnd.
    »Wann Sie wollen; ich habe keinen Hunger; jetzt will ich einen Rundgang durch das Dorf machen.«
    »Möchten Sie nicht zunächst in mein Haus treten? es ist alles in Ordnung. Nicht wahr, Sie entschuldigen, wenn draußen ...«
    »Jetzt nicht, später! Aber sagen Sie mir, wissen Sie, ob hier eine Frau Namens Matrena Tscharina wohnt?«
    So hieß Katuschas Tante, bei der sie niedergekommen war.
    »Die Tscharina? ja, gewiß, die wohnt hier im Dorfe. Ach, was die mir für Sorgen macht! Sie besitzt nämlich die Dorfschenke. Ich schelte sie aus, und drohe ihr, sie fortzuschicken, wenn sie nicht bezahlt, aber im letzten Augenblick geht es doch über meine Kräfte, und ich habe Mitleid mit ihr. Die arme Alte! Dann hat sie auch Kinder bei sich,« fügte der Inspektor lächelnd hinzu.
    »Und wo wohnt sie? ich möchte sie aufsuchen!«
    »Am Ende des Dorfes, auf der andern Seite das drittletzte Haus. Zur linken Seite erblicken Sie ein Ziegelhaus, und gleich darauf kommt ihre Kneipe. Uebrigens werde ich Sie hinführen, wenn Sie wollen.«
    »Nein, ich danke, ich werde schon finden. Inzwischen möchte ich Sie bitten, die Bauern vor dem Hause zusammenzurufen, weil ich mich mit ihnen wegen der Aecker zu verständigen habe.«
     
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    Der Tag war klar und warm, sogar zu warm für die Jahreszeit; die Wolken häuften sich zusammen und bedeckten zeitweise die Sonne. Die lange ansteigende Straße, die das Dorf bildete, war vollständig mit einem scharfen, beißenden, aber nicht unangenehmen Düngergeruch angefüllt, der gleichzeitig von den Wagen aufstieg, die die Straße entlang fuhren und außerdem den Misthaufen entströmten, die in den Höfen lagerten, deren Thüren weit offen standen. Die Bauern, die mit nackten Füßen und Mistflecken auf ihren Hemden und Hosen hinter den Wagen herschritten, betrachteten neugierigen Blickes den großen und kräftigen »Barin« in seinem mit Seide gefütterten grauen Tuchanzug, wie er mit seinem schönen Stock mit dem silbernen Knopf im Dorfe spazieren ging. Die Weiber verließen ihre Häuser, um ihm nachzusehen, folgten ihm mit den Augen, und eine zeigte ihn der andern. Vor einer der Thüren wurde Nechludoff beim Vorübergehen von einem großen Wagen aufgehalten, der, bis oben mit Dünger beladen, aus

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