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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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einem Hofe fuhr. Ein junger Bauer war damit beschäftigt, die Pferde auf die Straße zu ziehen. Ein graublaues Füllen passierte bereits das Thor, als es vor Nechludoff erschrak und sich wieder an seine Mutter drängte, die eine unruhige Bewegung machte und einen Augenblick wieherte. Das alles geschah unter den Augen eines alten, mageren und trockenen Bauern, der ebenfalls barfüßig war und eine gestreifte Hose und eine blaue Blouse trug.
    Als sich der Wagen endlich auf der Straße befand, trat der Greis vor die Thür und verneigte sich vor Nechludoff.
    »Sie sind wohl der Verwandte unserer beiden seligen Fräuleins?«
    »Ja, ganz recht!« »Seien Sie willkommen,« fuhr der Bauer fort, der gern plauderte.
    »Na, und wie lebt Ihr?« fragte Nechludoff, der nicht wußte, was er sagen sollte.
    »Wie wir leben? ach, unser Leben ist leider recht elend,« entgegnete der Alte.
    »Elend? weshalb?« fragte Nechludoff, sich der Thür nähernd.
    »Ach, es ist ein trauriges Leben!«
    Während des Sprechens drängte der Greis Nechludoff in das Innere des Hofes zurück.
    »Siehst du, ich habe in meinem Hause zwölf Personen,« fuhr er fort und deutete mit dem Finger auf zwei Weiber, die mit aufgekrempelten Aermeln, die Röcke bis über die Kniee aufgeschürzt, mit Mistgabeln in der Hand, auf dem Rest des Düngerhaufens standen.
    »Alle Monate muß ich sechs Pfund Mehl kaufen, und wo sie hernehmen?«
    »Hast du denn kein eigenes Mehl?«
    »Eigenes Mehl?« rief der Greis mit verächtlichem Lächeln. »Was ich an Land habe, genügt gerade für drei Personen; zu Weihnachten ist der ganze Vorrat erschöpft.«
    »Aber was fangt Ihr denn dann an?«
    »Man muß sich eben einrichten. Einer meiner Söhne ist im Dienst, und dann leihen wir auch bei Ew. Exzellenz. Wenn man wenigstens die Abgaben bezahlen könnte!«
    »Wieviel betragen die Abgaben?«
    »Siebzehn Rubel, nur für uns allein!«
    »Könnte ich vielleicht in dein Haus eintreten?« fragte Nechludoff, indem er weiter auf dem Hofe vorschritt.
    »Aber gewiß,« versetzte der Greis, ging Nechludoff mit seinen nackten Füßen schnell voran und öffnete ihm die Hausthür, während die Weiber mit einer gewissen Furcht diesen eleganten, saubern Herrn mit seinen goldenen Manschettenknöpfen betrachteten, der Miene machte, ihr Haus zu betreten.
    Nechludoff durchschritt einen kleinen Gang und kam in die enge und dunkle Isba. Dort stand am Ofen ein altes Weib, deren aufgekrempte Aermel die mageren Arme und schwarzen Hände mit den hervortretenden Adern sehen ließen.
    »Das ist unser »Barin«, der uns einen Besuch abstatten will,« sagte der Alte zu ihr.
    »Meinen tiefsten Gruß,« versetzte die Alte, sich verneigend.
    »Ich wollte einmal ein bißchen sehen, wie ihr lebt,« sagte Nechludoff.
    »Das kannst du ja sehen, wie wir leben,« entgegnete keck die alte Frau und schüttelte mit bezeichnender Miene den Kopf. »Die Isba ist dem Einsturze nahe und wird sicherlich einen totschlagen, doch der Alte findet es gut so. Du siehst, ich bin gerade dabei, das Essen zu bereiten, ich ernähre das ganze Haus.«
    »Na, und was habt Ihr heute zum Essen?«
    »Was wir zum Essen haben? Erster Gang: Kwaß und Brot, zweiter Gang: Brot und Kwaß.«
    Dabei fing die Alte laut an zu lachen und riß ihren großen zahnlosen Mund weit auf.
    »Nein, nein, ohne Scherz, zeigt mir, was Ihr heute zum Essen habt.«
    »Na, Mutter,« sagte der Alte, »zeige es ihm doch.«
    Seine Frau schüttelte von neuem den Kopf.
    »Haha, du bist aber ein merkwürdiger »Barin«; so einen wie du habe ich noch nie gesehen. Alles will er wissen. Na, wir haben Brot und Kwaß, und dann noch Kohlsuppe und Kartoffeln.«
    »Ist das alles?«
    »Na, was soll denn noch sein?« versetzte die Alte mit pfiffigem Lächeln.
    Durch die offen gebliebene Thür sah Nechludoff, daß der ganze Korridor mit Leuten angefüllt war. Da standen Kinder, junge Mädchen, Weiber mit Säuglingen auf den Armen, und diese ganze Schar drängte sich vor die Thür und betrachtete den seltsamen Gutsherrn, der sich nach der Nahrung von Muschiks erkundigte.
    »Ja, unser Leben ist recht traurig; das kann man wohl sagen,« fuhr der Alte fort. »Na, hört mal, was wollt Ihr denn hier?« rief er, sich den Neugierigen zuwendend, die Miene machten, einzutreten.
    »Na, jetzt Adieu, ich danke Euch,« sagte Nechludoff, der ein Gemisch von Unbehagen und Scham empfand.
    »Herzlichen Dank, daß Sie uns besucht haben,« versetzte der Alte.
    Im Korridor trat die Menge schnell vor Nechludoff

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