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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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gesprochen!« riefen mehrere Stimmen.
    »Die ganze Erde muß gemeinsam besessen werden! Alle haben darauf ein gleiches Anrecht, doch es giebt gute Erde und weniger gute. Jeder aber möchte gute Erde haben. Wie es nun anfangen, um die Teile gleich zu gestalten? Wer eine gute Erde ausbeutet, muß seinen Ueberschuß mit dem teilen, der eine weniger gute ausbeutet. Da es nun schwer ist, die zu bestimmen, die bezahlen sollen, und wem sie bezahlen sollen und das Geld in unserm jetzigen Leben unerläßlich ist, so ist das Klügste, jeder, der ein Stück Land ausbeutet, zahlt der Gemeinde für die gemeinsamen Bedürfnisse im Verhältnis zu dem, was sein Stück Land wert ist. Auf diese Weise wird Gleichmäßigkeit erzielt werden. Will jemand ein Stück Land ausbeuten, so wird er für eine gute Erde mehr und für eine weniger gute weniger bezahlen. Will er die Erde nicht ausbeuten, so soll er nichts bezahlen, und die, die die Erde ausbeuten, werden für sie die zum gemeinsamen Bedürfnis notwendige Steuer bezahlen.«
    »Das ist ein tüchtiger Kopf, dieser Georgy«, rief der Bauer mit dem langen Barte.
    »Das ist gerecht,« erklärte der Töpfer, »wer die beste Erde hat, bezahlt am meisten.«
    »Wenn wir nur den Preis erschwingen können!« sagte der Langnasige.
    »Der Preis muß so berechnet werden, daß er weder zu hoch, noch zu niedrig ist. Ist er zu hoch, so bezahlt man ihn nicht und es entstehen Verlegenheiten; ist er zu niedrig, so kauft jeder dem andern Land ab, und der Schacher beginnt von neue. Das sagt George; und nach seinen Grundsätzen möchte ich mich mit euch verständigen.«
    »Ganz recht! Das ist gerecht! Das wollen wir auch!« riefen die Bauern.
    »Das ist ein Kopf!« wiederholte der Greis, der dem »Moses« ähnlich sah. »Dieser Georgy! Denkt nur, das hat er alles ersonnen!«
    »Und wenn ich nun auch Land haben will?« fragte der Inspektor lächelnd.
    »Die Beteiligung steht jedem frei; nehmt und arbeitet!« versetzte Nechludoff.
    »Was brauchst du Land? Du bist schon fett genug!« rief der Schöngeist.
    So endete die Besprechung. Nechludoff wiederholte noch einmal seinen Plan und fügte hinzu, er verlange keine sofortige Antwort, riet aber den Abgeordneten, sich mit den andern Bauern zu verständigen und ihm dann die Antwort zu überbringen.
    Am nächsten Tage feierten die Bauern, und man beriet über den Vorschlag des »Barin«, Doch die Beratungen blieben resultatlos, denn die Gemeinde war in zwei Lager geteilt; die einen hielten die Vorschläge des »Barin« für vorteilhaft und gefahrlos; die anderen sahen darin noch immer eine List, deren Zweck sie nicht zu ergründen vermochten, die ihnen aber darum nur noch gefährlicher erschien.
    Trotzdem einigten sie sich aber doch am nächsten Tage dahin, daß sie Nechludoffs Bedingungen annahmen, und die sieben Abgeordneten teilten diesem den Beschluß der Gemeinde mit.
    Am letzten Tage seines Aufenthaltes ging Nechludoff in die Gemächer seiner verstorbenen Tanten hinauf, um dort die noch vorhandenen Gegenstände durchzusehen. In der inneren Schublade eines Schränkchens aus Rosenholz entdeckte er ein Päckchen alter Briefe und darunter eine Photographie, auf der eine vor dem Hause stehende Gruppe dargestellt war; Marie Iwanowna, Sophie Iwanowna, Nechludoff im Studentenanzug, und Katuscha waren darauf abgebildet. Von all den Gegenständen, die das Haus enthielt, nahm Nechludoff nur die Briefe und diese Photographie. Den Rest, Möbel, Bilder, Teppiche und Behänge überließ er dem Müller, der dem Inspektor eine große Provision versprochen hatte, wenn er das alles billig bekommen würde.
    Wieder erinnerte sich Nechludoff an das Gefühl des Bedauerns, daß er in Kuzminskoja bei dem Gedanken empfunden, auf seine Besitzungen verzichten zu müssen, und fragte sich wieder bestürzt, wie er ein solches Gefühl hatte empfinden können. Jetzt empfand er nur noch ein köstliches Gefühl der Befreiung, in das sich für ihn der Reiz der Neuheit mischte; ein Gefühl, wie es der Entdecker empfinden muß, wenn er nach grausamen Prüfungen endlich ein neues Land erblickt!

Zweites Kapitel
    Als Nechludoff vom Land zurückkam, machte die Stadt einen ganz besonders unangenehmen Eindruck auf ihn. Er kam abends an und begab sich gleich in sein Haus. Alle Zimmer waren von einem starken Naphtalingeruch durchsetzt, und Agrippina Petrowna und Kornej schienen beide gleichzeitig unzufrieden und müde; sie hatten sich sogar am Nachmittag wegen ihrer Arbeit gezankt, die übrigens nur

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