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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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wegen der Sache, die ihm der Lorenz vor zwei Tagen erzählt hat. Genau dasselbe, was ihm der Andi erzählt hat. Daß sie ein Heimattheater einproben. Daß sie es im Dezember aufführen werden. Daß er auch in der Mordnacht mit dem Andi an dem Heimattheater gearbeitet hat. Daß er deshalb nicht wirklich beim Vergolder war. Sondern daß nur das Theater vom Vergolder handelt. Und wie sich die Leute wundern werden, wenn sie im Dezember das Theater aufführen. Der Lorenz und der Andi. Und die Deutsche praktisch Regisseur.
    Und dann noch dieses Mädchen, das der Lorenz erwähnt hat. Clare Corrigan, das ist gar nicht der ihr richtiger Name gewesen, die hat sich einfach so genannt. Dem Brenner ist sie schon öfter in Zell aufgefallen. Weil du darfst eines nicht vergessen. In einer großen Stadt regt sich heutzutage kein Mensch auf, wenn sich ein Jugendlicher provokant benimmt. Aber in einer Kleinstadt wieder ganz eine andere Sache. Jetzt ist die Clare mit ihrem lackierten Schneidezahn in Zell natürlich nicht zu übersehen gewesen.
    Aber so ist es in der Provinz, hat sich der Brenner gedacht. Entweder die Leute kümmern sich gar nicht um das moderne Zeug, das in den Städten so wichtig ist. Oder sie übertreiben es gleich. Bestellen sich die ungesündeste Mode, die im Quelle-Katalog nur zu finden ist. Und fertig ist die Nierenbeckenentzündung. Er hat das von seiner Jugend in Puntigam gut gekannt. Da hat nur der Jimi Hendrix einmal im Fernsehen sein müssen. Und am nächsten Morgen hat die Polizei garantiert einen Rauschgifttoten im Bahnhofsklo gefunden.
    In der Kirche ist der Brenner ins Sinnieren gekommen. In den letzten zwanzig Jahren ist er nicht öfter als zwei- oder dreimal in der Kirche gewesen. Er hat sich jetzt an die erste Hochzeit seiner Schwester erinnert, die hat einen Angeber geheiratet, der hat bei der Hochzeit einen weißen Anzug angehabt, natürlich bald Scheidung, was soll ich dir erzählen. Und dann vor zweieinhalb Jahren natürlich das Begräbnis seines Kollegen Schmeller, der ist bei einem Bankraub in, in, in, wo ist das jetzt gewesen, da ist er ums Leben gekommen. Und zwar durch einen Halsschuß, aber das ist ein saublöder Zufall gewesen, da haben beide Pech gehabt, der Schmeller und der Bankräuber, weil der hat in die Luft schießen wollen, das war klar.
    Der Tunzinger ist bei dem Einsatz in Oberndorf dabeigewesen, ja, siehst du, Raiffeisenkasse Oberndorf, da ist das gewesen. Und er hat dem Brenner, beim Seelengottesdienst für den Schmeller zugeflüstert, daß es ein Versehen gewesen ist. Aber natürlich – vor dem Richter hat er den Mund gehalten. Da gibt es nichts, Polizistenmord, was anderes hat da natürlich keiner hören wollen.
    Das ist, wie gesagt, vor zweieinhalb Jahren gewesen. Aber daß dem Brenner jetzt die Zeremonie in der Zeller Kirche so vertraut vorgekommen ist, weil der hätte fast jeden Handgriff des Pfarrers voraussagen können, das hat nichts mit dem Schmeller-Begräbnis zu tun gehabt. Sondern weil er als Bub Ministrant gewesen ist. Der Brenner hat in der Volksschulzeit in Puntigam immer fleißig ministriert, oft einmal jeden Tag, und von daher hat er sich natürlich noch an alles erinnert, weil in der Kirche ändern sich die Dinge ja nicht jede Saison.
    Auch der Mesner ist in Zell genauso ein dürres, altersloses Männlein gewesen wie in Puntigam. Und genau wie in Puntigam ist er kurz vor Meßbeginn geräuschlos durch den Altarraum geschwebt, damit er die Kerzen anzündet. Da hat sich überhaupt nichts geändert, technische Revolution hin oder her, das hat der Zeller Mesner genau gleich gemacht wie vor bald vierzig Jahren der Mesner von Puntigam. Eine zwei Meter lange Stange, an der Spitze ein Docht, damit er überall hinkommt, und neben dem Docht so ein Eisenhütchen, also kegelförmig, und mit dem hat er nach der Messe die Kerzen wieder ausgelöscht.
    Jetzt hat es ja Neuerungen gegeben, sagen wir sechziger Jahre, also beim Johannes, das ist der Papst damals gewesen, der dreiundzwanzigste, und der hat ja viele so Neuerungen gebracht damals, Mordskonzil. Aber da hat man in Zell dreißig Jahre später immer noch nicht viel davon gemerkt. Frauen zum Beispiel. Früher ist das ja so gewesen, daß alle Frauen links sitzen und die Männer rechts. Wie der Brenner als kleiner Bub Ministrant war, ist das noch ganz normal gewesen. In Zell ist das aber immer noch mehr oder weniger normal gewesen.
    Zumindest auf der Frauenseite, da hat der Brenner nicht einen Mann gesehen. Umgekehrt die

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