Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
Lorenz:
    «Mein Vater ist ja nicht mein leiblicher Vater gewesen. Weil den leiblichen Vater habe ich nie gekannt. Und meine Mutter ist ja verschwunden. Also nach meiner Geburt. Wahrscheinlich im See, sagen die Leute. Deshalb gehe ich nie schwimmen. Ich bin noch nie im See geschwommen. Deshalb glauben die Leute, daß ich spinne. Einmal bin ich eh geschwommen. In der Nacht. Im Winter allerdings. Bin ich fast abgesoffen. Da hat mein Vater aber noch gelebt. Hab ich ihm Sorgen gemacht. Mein Vater ist an Sorgen gestorben, wissen Sie.»
    Sagt der Brenner:
    «Ihr Adoptivvater.»
    Sagt der Lorenz:
    «Ja, von mir aus, mein Adoptivvater.»
    Sagt der Brenner:
    «Warum hat der Sie aufgenommen?»
    Sagt der Lorenz:
    «Der ist eben mein Onkel gewesen. Zwei Onkel habe ich gehabt. Zwei Brüder von meiner Mutter eben. Hat mich einer eben aufgenommen.»
    Sagt der Brenner:
    «Aber die beiden Brüder haben sich nicht besonders gut verstanden.»
    Sagt der Lorenz:
    «Sagen wir gehaßt.»
    Sagt der Brenner:
    «Was ist Ihr Vater von Beruf gewesen?»
    Sagt der Lorenz:
    «Mein Vater hat meinem Onkel vergolden geholfen. Der ist wirklich Vergolder. Kirchenmaler. Hat aber keine Zeit zum Vergolden. Also hat er meinen Vater abgerichtet.»
    Sagt der Brenner:
    «Und Sie? Was sind Sie von Beruf?»
    Sagt der Lorenz:
    «Ich hab meinem Vater vergolden geholfen.»
    Sagt der Brenner:
    «Und wovon leben Sie heute?»
    Sagt der Lorenz:
    «Der Vergolder ist ein Parasit. Parasit der Gesellschaft. Und ich bin der Parasit des Vergolders.»
    Sagt der Brenner:
    «Wieso haben Sie eigentlich Ihrem Onkel ein falsches Alibi gegeben, wenn Sie ihn so wenig schätzen?»
    Sagt der Lorenz:
    «Sagen wir hassen.»
    Sagt der Brenner:
    «Gut, sagen wir hassen.»
    Sagt der Lorenz:
    «Weil schätzen tu ich ihn schon. Ich schätze ihn schon. Am 21. Dezember gehe ich immer zu ihm. Da krieg ich immer ein Sparbuch.»
    Sagt der Brenner:
    «Und wieso sind Sie dann ausgerechnet heuer nicht zu ihm hinaufgegangen? Und wieso haben Sie trotzdem ausgesagt, daß Sie bei ihm oben waren?»
    Der Lorenz hat der Erni gedeutet, daß sie ihm noch ein Viertel Sodawasser bringen soll. Jetzt hat der Brenner natürlich gewußt, daß man Alkoholiker am besten daran erkennt, daß sie sich dauernd Mineralwasser bestellen. Er hat einen Schluck Bier getrunken, um dem Lorenz Zeit zu geben. Vielleicht findet er auf seinem verschlungenen Weg doch noch irgendwo eine Antwort auf meine Frage, hat sich der Brenner gedacht.
    «Ich habe meinem Onkel das mit dem Nervenzusammenbruch erklärt», sagt der Lorenz.
    Sagt der Brenner:
    «Sie haben einen Nervenzusammenbruch gehabt?»
    Sagt der Lorenz:
    «Das mit dem Nervenzusammenbruch der Berge. Die Leute werden es schon sehen. Im Dezember werden es die Leute schon sehen.»
    Sagt der Brenner:
    «Was ist im Dezember?»
    Sagt der Lorenz:
    «Da werden sie sich wundern.»
    Sagt der Brenner:
    «Ich?»
    Sagt der Lorenz:
    «Nein, die Leute.»
    Sagt der Brenner:
    «Und worüber wundern?»
    Sagt der Lorenz:
    «Meinen Vater hat es gekränkt, daß ich mich so für das Vergolden begeistert habe. Zuerst hat er gewollt, daß ich ihm helfe, aber dann hat es ihn gekränkt. Weil ich hab ihm ja nur helfen sollen, weil er die Arbeit allein nicht mehr gepackt hat. Aber er hat nicht gewollt, daß ich mich so dafür begeistere. Da bin ich ja erst, sagen wir, neun oder zehn Jahre alt gewesen. Der Vergolder hat ein Souvenirgeschäft, das kennen Sie vielleicht, Rieder heißt es, gehört aber dem Vergolder.
    Mein Vater hat mir Naturstudien beigebracht. Er hat gern gezeichnet früher. Alle haben Malertalent, Großvater auch Kirchenmaler. Aber er hat vergolden müssen. Kinder und so weiter. Jetzt hat er mir Naturstudium beigebracht. Weil er hat gleich gesehen, daß ich Talent habe. Jetzt ist er enttäuscht gewesen, wie er mich in das Souvenirgeschäft mitgenommen hat, weil er die Arbeit allein nicht mehr gepackt hat. Daß ich so auf das Vergolden und überhaupt auf das Souvenirgeschäft abgefahren bin. Weil ich bin ja noch ein Kind gewesen, und der ganze Klimbim hat mir natürlich gefallen.
    Und das Zeichnen, er ist vielleicht zu streng mit mir gewesen. Er hat immer gesagt, das Gold braucht man nicht, weil die Landschaft selbst leuchtet. Als Kind habe ich das natürlich nicht richtig verstanden.
    Auch das echte Gold ist Katzengold, sagt mein Vater mit seiner heiseren Stimme, weil da ist schon der Lungenkrebs gewesen, aber wir haben es noch nicht gewußt. Das habe ich nicht verstanden mit dem

Weitere Kostenlose Bücher