Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
jetzt:
    «Am nächsten Tag kommt die Frau wieder in den Sexshop und will sich beschweren.»
    Die andere Ministrantin hat jetzt dem Pfarrer eine kleine Schaufel gereicht, mit der er ein bißchen Erde auf das Grab vom Lorenz gestreut hat. Und rundherum haben ein paar Leute zu schneuzen angefangen, wie der Pfarrer mit seiner weinerlichen Stimme sagt:
    «Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staube zurückkehrst.»
    Der Brenner hat aber nicht lachen können über den Witz vom Nemec. Er hat keine Miene verzogen. Er hat nur gesagt:
    «Und der Lorenz hat also die beiden Amerikaner in den Lift gesetzt. Da seid ihr euch plötzlich ganz sicher.»
    «Ganf ficher!» hat der Bulle immer noch mit dem zahnlosen Mund der Frau aus dem Sexshop geantwortet. Also daß es ausgesehen hat wie keine Zähne, so mit den Lippen über den Zähnen, dabei hat der Nemec ja eh so schmale Lippen gehabt.
    Jetzt hat sich der Brenner einen Augenblick lang überlegt, ob er das tun soll, was er in den letzten Jahren sicher ein paar hundertmal gewollt hat. Aber dann hat er den Nemec doch nicht mitten im Begräbnis zusammengeschlagen. Statt dessen sagt er, aber immer noch, ohne dem zahnlosen Weib ins Gesicht zu schauen:
    «Das ist jedenfalls schön bequem für euch.»
    Jetzt nicht, daß du glaubst, der Brenner hat in dem Moment wirklich daran gezweifelt, sagen wir, daß der Lorenz es gewesen ist. Es war mehr, weil ihm sonst nichts gegen den Nemec eingefallen ist. Weil es ist ja in der
Pinzgauer Post
gestanden, und die Leute haben auch über nichts anderes geredet. Daß der Lorenz seit Jahren diese Briefe geschrieben hat. Heidnische Kirche, das hat ja wirklich nur dem Lorenz seine Idee sein können. Und dann natürlich: daß der Lorenz heuer zu Weihnachten kein Sparbuch vom Vergolder bekommen hat.
    Und dann natürlich die Schecks. Der Lorenz hat ein Zeichentalent gehabt, da hat sich der Vergolder verstecken können. Ist ja in der Familie gelegen. So wie bei der Familie Moser wieder alle musikalisch sind, oder beim Metzger Mayr, die machen immer schon den besten Leberkäse. Der Lorenz hat die Unterschrift nachgemacht, da sind den Experten die Augen herausgefallen. Aber jetzt, wie sein Foto in die Zeitung gekommen ist, hat sich eine Bankbeamtin an ihn erinnert.
    «Das mit den Briefen habt ihr aber schnell herausgefunden», stichelt der Brenner weiter.
    «Eigentlich hätten wir es schon vor einem halben Jahr wissen müssen», sagt der Nemec, «aber leider, wenn man sich auf Mitarbeiter verlassen muß.»
    Jetzt natürlich. Das ist damals vor einem halben Jahr dem Brenner sein Job gewesen. Er hat aber jetzt keine Lust mehr gehabt, daß er dem Nemec etwas beweist. Weil der Nemec ist es ja selbst gewesen, der ihn damals aufgehalten hat.
    Der Brenner hat nur noch aus dem Friedhof hinauswollen. Aber wie er sich umdreht, wird ihm erst wieder bewußt, daß der Friedhof dermaßen mit Trauergästen vollgestopft ist, daß es aussichtslos ist, jetzt zum Ausgang zu kommen.
    Und außerdem. Was hätte es ihm genützt, wenn er aus dem Friedhof hinausgekommen wäre. Er hätte ja nicht gewußt wohin. Weil bevor er sich umgedreht hat, hat er noch das
Cafe Feinschmeck
im Sinn gehabt. Daß er sich bei der Kellnerin Erni verkriechen könnte.
    Aber die Erni ist ja schon bei ihm gewesen. Ernst und stumm wie ein Ölgötze starrt sie den Brenner an, wie er sich umdreht. Und sie schaut so verzweifelt, daß man glauben hätte können, sie wird einfach nicht fertig mit dem Lorenz seinem Tod oder mit der Frage, wie sie ihre Balkonblumen über den Winter bringen soll.
     

12
    Jetzt natürlich. Hat der Brenner nicht mehr viel zu suchen gehabt in Zell. Über ein halbes Jahr hat er im Zimmer 214 des
Hirschenwirt
gewohnt. Aber jetzt will er nur mehr seinen Bericht schreiben und dann nichts wie weg aus Zell.
    Er hat jetzt auch verstanden, warum es sich ausgerechnet dieses Mal so lange gewehrt hat mit dem Bericht. Es muß irgendwie schon in der Luft gelegen sein, daß das sein letzter Bericht für das Detektivbüro Meierling wird, praktisch Abschluß.
    Nicht verstanden hat er, wieso er gar so deprimiert in seinem Zimmer sitzt. Seit er um halb fünf vom Begräbnis zurückgekommen ist, sitzt er auf der Bettkante, daß man glauben hätte können, der Schlag hat ihn gestreift, genau in dem Moment, wo er sich hat hinlegen wollen. Und seither hat er das Teppichmuster studiert, und, wie soll ich sagen, es ist kein sehr interessantes Muster gewesen.
    Jetzt darfst du eines nicht vergessen.

Weitere Kostenlose Bücher