Aufgebügelt: Roman (German Edition)
große Stärke.
»Kann man sagen! Ihr wart megablöd«, antwortet er und dreht seinen Kopf zurück in Richtung PC.
Mark scheint auch kein Selbstkritikexperte zu sein. Hat wohl meine Gene. Sein Verhalten ärgert mich. Da komme ich hierher, um gut Wetter zu machen, und muss mich von ihm auch noch anmotzen lassen. Verkehrte Welt. Sollte er nicht verdammt kleinlaut und reumütig sein? Soll ich ihn jetzt etwa auch noch trösten? Habe ich gekifft oder hat er gekifft?
»Wer von uns beiden hat denn gekifft?«, frage ich.
Er reagiert nicht mal. Gut, war ja auch ’ne doofe Frage und eigentlich auch eher dazu gedacht, die Verhältnisse noch mal klarzustellen.
»Ich geh zu Kati und Siegmar zum Grillen. Du bleibst hier, Opa ist da«, gebe ich letzte Anweisungen.
Wer nicht reden will, soll es halt lassen. Ich bin ja keine Bittstellerin.
Nach nur zwanzig Minuten stehe ich wieder in der Küche und staune. Rudi hat in der kurzen Zeit zwei Salate gemacht. Tomaten-Brotsalat und Nudelsalat. Er ist und bleibt mein persönlicher Held.
»Einer hätte gereicht, Rudi! Aber toll, danke, du bist der Beste!«, zolle ich seiner Leistung Anerkennung.
»Für disch immer gern!«, sagt er nur und lächelt. Dieser Mann ist unglaublich. Wie hat Inge das bloß hinbekommen?
»Hübsch siehst de aus!«, ergänzt er noch.
»Rudi, ich liebe dich!«, antworte ich.
Und er nickt und sagt: »Isch disch auch, eusch alle! Ihr seid mein Leben!«
Wir umarmen uns, und ich muss wieder mal fast weinen. Kein anderer Mann hat mich je so angerührt.
»Danke für alles! Ich muss jetzt los.« Mit diesen Worten löse ich mich aus der Umarmung und versuche, die Tränen zurückzuhalten.
Kati und Siegmar wohnen nicht weit von uns entfernt. Mit meinen Salaten unter den Armen laufe in durch unsere Siedlung. Hier reiht sich ein Häuschen ans nächste. Die Häuser sind begehrt. Nicht zu weit weg von der großen Stadt, S-Bahn-Anschluss und gerade noch bezahlbar für Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen. Die Siedlung ist ein großer Kompromiss. Nicht unbedingt irrsinnig schön gelegen, bei ungünstigem Wind hört man die nahe Autobahn, aber dafür insgesamt so wahnsinnig vernünftig. So wie vieles in meinem Leben.
Ich bin generell eine eher vernünftige Person. Vielleicht ein wenig zu vernünftig. Schon deshalb passt mein morgiger Ausflug so gar nicht zu mir. Er ist alles andere als vernünftig, und genau das ist eben auch das Aufregende daran. Ich sollte mehr aufregende Dinge tun, denke ich. Sonst werde ich irgendwann innerlich schimmeln. Verschimmeln. An Langweile zugrunde gehen. Ich finde mich selbst, bei ehrlicher Betrachtung, auch nicht sonderlich spannend. Was habe ich schon zu bieten? Ja, wo um alles in der Welt sollte ich auch was wirklich Interessantes erleben? Beim Einkaufen? Beim Putzen?
Mit meinem Ego steht es momentan wirklich nicht zum Besten. Kann nicht auch ein, auf den ersten Blick, langweiliges Leben spannend und vor allem erfüllend sein? Wieso nagt seit einigen Jahren ständig dieser tiefe Zweifel an mir? Wird Spannung und Aufregung womöglich maßlos überschätzt?
Während all diese Gedanken ungeordnet durch meinen Kopf wabern, erreiche ich das Haus von Kati und Siegmar. Sie haben eine Menge getan, um ihr Häuschen individuell zu gestalten. Es ist in einem zarten, hellen Gelb gestrichen, Spitzengardinen hängen vor den unteren Fenstern, und die Fensterrahmen sind in einem dunklen Rot gehalten. Nicht mein Geschmack, aber auffällig. Ein bisschen Pipi-Langstrumpf-Schweden-Style mit einem Touch Spießigkeit kombiniert. Ich muss nicht mal klingeln, da geht die Tür schon auf. Kati strahlt mich an.
»Ich freue mich so, dass du kommst!«, begrüßt sie mich enthusiastisch und zieht mich in ihre Arme, gerade so, als wäre ich unter gefährlichsten Umständen aus Südamerika eingeflogen. Lustig.
»Ich bin einen Tick spät – tut mir leid, ich hatte Stress. Aber hier sind die Salate«, sage ich und löse mich, so gut es eben geht, wenn man gleichzeitig zwei Salate hält, aus der Umarmung. Die hat ja wirklich einen Narren an mir gefressen.
»Der Siegmar freut sich auch wahnsinnig«, grinst sie und tätschelt mir den Po. Sie ist eine ziemlich tatschige Person, was bedeutet, sie fasst einen ständig an und rückt einem auch immer ziemlich nah auf die Pelle.
»Gut siehst du aus, so entspannt!«, redet sie weiter.
Das ist nun wirklich sehr erstaunlich, dass ich nach dem Theater heute Nachmittag entspannt aussehen soll. Ich halte das für
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