Aufgebügelt: Roman (German Edition)
entsetzt. Ich erkläre die Situation, und sie sind tatsächlich voller Verständnis. Siegmar umarmt mich und haucht mir eine weitere Brise muffeligen Atem ins Gesicht. Sofort fühle ich mich schlecht. Sie sind nett und liebevoll, und ich bin ein verlogenes Stück. Mein Telefon klingelt wieder. Wie im Reflex gehe ich dran und bereue es sofort. Es ist mein Sohn Mark.
»Ich weiß nicht, was du genau willst, aber mir ist schlecht. Komm bitte heim!«, sagt er nur.
Insgeheim bin ich ein wenig beruhigt, wie schlecht er lügen kann. Dafür kann er aber verdammt laut sprechen. Kati und Siegmar haben alles, Wort für Wort, mitgehört.
»Ach du je«, zeigt sich Kati mitfühlend, »wie willst du das denn alles alleine regeln?«
»Ich schaue schnell nach Mark, der übertreibt gern mal, und dann fahre ich zu Sabine. Das scheint ja wirklich ernst zu sein!«, demonstriere ich planerische Qualitäten.
»Wir lassen dich doch jetzt nicht im Stich!«, sagt da Kati, während sie in ihre Schuhe schlüpft. »Der Siegmar bleibt bei Mark, und ich fahre mit dir in die Klinik! Das musst du nicht alleine durchstehen«, entscheidet sie. »Mach dich fertig, Siegmar, lösch den Grill. Geh du ruhig schon vor, Andrea. Wir sind in fünf Minuten bei dir. Mach dir keine Sorgen!«, gibt sie mir letzte Anweisungen.
Mist, das war nicht ganz nach Plan.
»Das braucht ihr nicht! Rudi ist zu Hause und kümmert sich sicherlich«, versuche ich die beiden umzustimmen.
»Das ist selbstverständlich, auch wenn du das nicht gewöhnt bist! Wir lassen dich nicht allein«, wiegelt Kati entschlossen ab.
Was denken die, wie ich lebe?
»Ich gehe schon mal, aber es ist es nicht nötig, dass ihr nachkommt«, sage ich und will so wenigstens meinen kleinen Vorsprung nutzen. Zu Hause wird mir schon was einfallen, um sie wieder loszuwerden. Rudi wird mir sicher helfen!
Ich renne nach Hause. Jetzt zählt jede Minute. Ich muss meinem Sohn klarmachen, was da auf ihn zukommt. Vor allem, wer da auf ihn zukommt. Mark sitzt missmutig in seinem Zimmer.
»Ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber Sabine ist im Krankenhaus und dir ist schlecht. Und jetzt kommen Siegmar und Kati, um dir Beistand zu leisten, weil ich zu Sabine ins Krankenhaus fahre, obwohl die eigentlich gar nicht da ist«, versuche ich, das Wichtigste in Kürze zusammen zu fassen. Würde mir jemand so was erzählen, würde ich denken, er sei irre.
»Ich muss das jetzt nicht verstehen, oder?«, sagt mein Sohn nur.
»Nein, leg dich einfach ins Bett und guck leidend«, antworte ich. »Du kannst wieder aufstehen, wenn ich zurück bin!«
»Jetzt habe ich sogar nicht nur Hausarrest, sondern muss auch noch im Bett bleiben. Das geht echt zu weit. Und ich kapier’s nicht. Wenn Sabine im Krankenhaus ist, wie könnt ihr da zum Wellness-Dingsbums fahren?«
Das habe ich nicht bedacht. Die eine Ausrede mit der anderen kaputt gemacht. Lüge entlarvt Lüge.
»Das ist kompliziert. Dir ist jetzt einfach übel. Das wird ja wohl nicht zu viel verlangt sein, nach allem, was passiert ist!«, beende ich das Gespräch. »Ich muss gleich los, wo ist Rudi überhaupt?«, frage ich noch schnell.
»Der ist mit dem Hund unterwegs! Ich weiß nicht, wann der wiederkommt!«, murmelt Mark.
»O doch, das weißt du! Der kommt sofort wieder! Deshalb hast du dann jemanden, der sich kümmert, kapiert? Egal – das ist jedenfalls das, was wir zu Siegmar und Kati sagen.«
»Wer sind überhaupt Siegmar und Kati? Und was wollen die hier? Und warum musst du ins Krankenhaus? Wer von uns beiden kifft denn hier eigentlich?«, wird mein Sohn jetzt ein wenig spitzfindig.
Bevor ich ihn zurechtweisen und ihm nochmals alles erklären kann, klingelt es schon. Das werden Siegmar und Kati sein.
»Ich sage, du schläfst. Verhalte dich ruhig und bleib im Bett! Rühr dich nicht vom Fleck, bis ich wieder da bin!«
»Hab verstanden«, brummt er, und ich gehe zur Haustür. Wie erwartet sind es Kati und Siegmar.
»Bleib ganz ruhig, Andrea!«, begrüßt mich Kati und schlingt gleich wieder ihre Arme um mich.
»Ich bin schon wieder ganz ruhig«, antworte ich und schiebe sie sanft ein Stück von mir weg. »Also danke für euer Angebot, aber Rudi ist da und guckt nach Mark – der schläft. Und wegen des Krankenhauses … ich denke, es ist besser, ich fahre allein. Ihr kennt die Sabine ja nicht, und das wäre ihr dann sicher unangenehm. Ich schaffe das schon – aber trotzdem, lieb von euch. Danke.«
Ich finde, da habe ich mich auf die Schnelle recht
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