Aufgebügelt: Roman (German Edition)
Ausrede überhaupt. Jede gute, brave Mutter würde da doch zu Hause bleiben. Aber war ich nicht lange genug eine gute, brave Mutter? Wird es nicht endlich mal Zeit, nicht brav zu sein? Außerdem ist mein Kind ja nicht krank. Wen kümmert es, dass meine Reise vielleicht ein wenig anrüchig und unmoralisch ist? Es weiß ja niemand davon, außer Sabine und Heike – und die sind meine Freundinnen. Das größte Problem bin ich selbst. Tief in mir wehrt sich etwas gegen diesen Trip. Er entspricht so gar nicht meinem Naturell. Aber vielleicht liegt die Aufregung genau darin: Etwas zu tun, was man sonst nicht tun würde.
Niemand zwingt dich zu irgendwas, beruhige ich mich selbst. Du wirst dich einfach nur amüsieren, Andrea, nicht mehr und nicht weniger. Und du hast es verdient. Ich denke ein bisschen an Sarah Marie und Christoph, und schon sehe ich meine Reise wieder in einem völlig anderen Licht. Es geht nur um Spaß, Andrea, nur um Spaß – du willst ja nicht heiraten, du bist ja schließlich noch verheiratet.
Aber wahrscheinlich nicht mehr lange, schießt es mir durch den Kopf, und sofort spüre ich wieder eine große Traurigkeit in mir. Bald werde ich eine geschiedene Frau sein. Eine geschiedene Frau mit zwei Kindern. Keine Aussicht, auf die ich mich freue. Obwohl mir mein Status als verheiratete Frau auch nichts bringt. Christoph ist weg. Das ist eine Tatsache, mit der ich zurechtkommen muss, ob es mir gefällt oder nicht. Oder muss ich noch mal alles versuchen, um ihn zurückzuerobern? Aber will ich das überhaupt? Eine Frage, die mich wieder und wieder beschäftigt. Ist selbst eine Beziehung, die man kaum mehr als solche bezeichnen kann, besser als keine? Bis vor kurzem hätte ich entschieden Nein gesagt, inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher. Vielleicht bin ich doch viel konservativer, als ich dachte, als ich mich selbst gerne sehen würde. Fühle ich mich nur mit Mann komplett?
Rudi klingelt. Tatsächlich hat er es geschafft, unsere Salate zurückzuholen. Allerdings kann von Salaten nicht mehr wirklich die Rede sein. Die Schüsseln sind leer.
»Die habbe alles uffgefuttert. Er hat noch Stückscher im Mundwinkel hänge gehabt!«, grinst Rudi. So viel zum Thema Fasten. »Un sie hat neugierisch gefracht, ob de schon weg bist! Die wollt direkt wiedä mitkomme, aber isch hab se dadevon abgehalte. Des war in deinem Sinne, gell? Ich hab erklärt, des du moin mit de Sabine fortfährst zum Wellness un noch ordentlich zu tun hast!«
Mist, da hat Rudi jetzt was durcheinandergebracht. Was werden Kati und Siegmar bloß denken? Das war’s dann. So schnell werde ich garantiert nicht mehr zu einem lauschigen Grillabend eingeladen. Aber eigentlich – umso besser. Ich beschließe, mir keine Gedanken mehr über Kati und Siegmar zu machen. Irgendwo ist auch mal Schluss. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Allerdings ist mir klar, dass sie nicht nur denken werden, was sie wollen, sondern auch noch schön rumerzählen werden, was sie wollen. Aber trotzdem: Ich werde deswegen jetzt nicht planlos mit dem Auto rumfahren und so tun, als müsste ich ins Krankenhaus. Ich habe weiß Gott anderes zu tun.
Während ich Sabine jetzt schnell eine SMS – Danke! Gerettet! Details später. – schicke, fällt mir das Fehlen einer Person in meinem Haushalt auf.
»Wo ist eigentlich Claudia?«
Rudi ist informiert – wenigstens einer: »Bei Mischa, ihrer Freundin. Isch glaab, die hat Trost gebraucht. Die hat Liebeskummä, die klaa Maus. Sie kommt abä gege elf zurück, hat se gesacht.«
Die kleine Maus kommt um elf Uhr nach Hause! Na dann.
»Ich geh mal hoch und lege meine Sachen für morgen zurecht. Ich wünsche dir eine gute Nacht!«
Rudi grinst. »Was en Kuddelmuddel! Ist die Sabine jetzt im Krankehaus, oder net? Un was is mit em Wellness?«, fragt er.
»Ach, Rudi, das ist schwierig. Die Sabine ist daheim, und wir fahren morgen weg. Das andere war nur eine Ausrede.«
Er nickt, obwohl er aussieht, als würde er sich ernstlich Sorgen um meine Verfassung machen.
»Schlaf gut, Rudi«, sage ich und gehe in mein Schlafzimmer.
Ich checke noch mal meine Klamotten, packe alles in den Trolley und lege meine Sachen für morgen raus. Dann widme ich mich in aller Ruhe meinem Körper. Duschen, rasieren, cremen – das ganze Programm. Nach einer guten Stunde, Nägel lackieren und Haare waschen inklusive, ist mein Körper einsatzbereit. Besser geht’s halt nicht mehr, denke ich, während ich mich nackt im Spiegel mustere. Ich schaue
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