Aufgebügelt: Roman (German Edition)
elegant aus der Affäre gezogen. Besser gesagt, ich hätte mich fast recht elegant aus der Affäre gezogen, denn Rudi taucht vor dem Haus auf.
»Ei Schatzi, was bist de denn schon wiedä da? Was issen los?«, zeigt er sich erstaunt. Aber er ist nicht der Einzige, der erstaunt ist. Denn vor etwa 30 Sekunden habe ich zu Siegmar und Kati gesagt, Rudi sei da und würde sich um Mark kümmern.
»Wir dachten, Rudi wäre zu Hause?«, sagt da auch schon Kati verwundert.
»Er ist ja jetzt zu Hause. Also ich meinte eben, dass er gleich zu Hause ist«, stammle ich. Elegant ist anders.
»Rudi, Mark ist schlecht, wie du ja weißt. Er schläft aber jetzt, und netterweise kümmerst du dich ja. Ich muss ins Krankenhaus zu Sabine, der geht es nicht gut!«, informiere ich meinen Schwiegervater.
»Was en Dörschenanner«, bemerkt er nur trocken.
»Soll ich nicht sicherheitshalber doch mitkommen? Zu deiner Freundin ins Krankenhaus? Und Siegmar kann dem Rudi gerne helfen!«, mischt sich Kati wieder ein.
»Des schaff isch schon selbst. En kranke Bub is doch kaan Problem. Isch bin nur verwundert, als isch los bin mit em Karl, war der Mark noch putzmunter. Ei, es kann werklisch schnell gehe mit em Krankwern!«, lehnt Rudi das Hilfsangebot ab.
Kati wirkt richtiggehend beleidigt: »Du machst es einem nicht leicht, Andrea. Wer Hilfe will, muss sie auch zulassen!«
»Ich bin sehr froh über euer Angebot, aber wir regeln das hier selbst. Danke noch mal«, bin ich nun ein wenig vehementer. Muss ich die erst wegschubsen, damit sie es kapieren! Nein.
Sie wenden sich ab, allerdings nicht ohne einen kleinen Kommentar von Kati: »Na ja, ein bisschen verstehe ich die anderen jetzt doch. Man will dir was Gutes tun und zur Seite stehen, und du bist so abweisend. Da musst du dich auf Dauer auch nicht wundern!«
Die sind beleidigt! Das ist ja nun die Höhe. Was bilden die sich ein? Dass sie, weil sie mich zum lauschigen, »intimen« Grillabend eingeladen haben, gleich zum engsten Familienkreis gehören? Und was soll die Bemerkung über die anderen? Welche anderen? Eben noch fand ich die beiden wirklich nett und hilfsbereit, jetzt bin ich richtig sauer auf sie. Dummerweise habe ich die herrlichen Salate von Rudi bei ihnen stehenlassen. Aber ich kann sie ja schlecht jetzt zurückfordern, obwohl es ja mehr als albern ist, sie bei zwei Fastenden zu lassen. Immerhin Kati und Siegmar haben es endlich verstanden und gehen.
»Deine Entscheidung! Und das mit dem Grillen holen wir nach. Gute Besserung für deine Freundin! Dein Sohn scheint so krank ja nicht zu sein«, verabschiedet sich Siegmar.
»Tschüs dann!«, schließt sich Kati an.
Uff, die wären wir schon mal los.
»Bin isch zu alt, odä war des seltsam?«, lautet Rudis Kommentar.
»Das war seltsam. Lass uns reingehen, Rudi«, sage ich nur.
Was für ein Abend! Muss ich jetzt auch noch so tun, als würde ich ins Krankenhaus fahren? Ne, die werden das ja wohl kaum kontrollieren – und wenn, dann lüge ich eben noch ein bisschen weiter und sage, dass Sabine angerufen hat und es ihr schon viel bessergeht. Falscher Alarm! Waren dann doch nur Blähungen!
»Mark, du kannst aufstehen. Kannst aber auch gleich liegenbleiben, es ist eh Abend!«, rufe ich hoch in Richtung Kinderzimmer.
Kurze Zeit später stehen Mark und Rudi ratlos im Wohnzimmer.
»Was war das?«, wollen sie wissen.
»Nur ein kleines Missverständnis«, erkläre ich, ohne irgendwas zu erklären.
»Habt ihr die Salate uffgegesse?«, erkundigt sich Rudi.
»Ne, aber in der Hektik habe ich sie dort vergessen.«
»Ei, soll ich se hole?«, fragt Rudi freundlich.
Ich überlege kurz. Einerseits ist es natürlich ziemlich unhöflich, etwas zurückzufordern, was man gerade eben mitgebracht hat, andererseits sind die beiden am Fasten, und für den Mülleimer sind Rudis Salate wirklich viel zu schade.
»Geh ruhig vorbei, wenn du magst. Du kannst ja nach den Schüsseln fragen, das ist nicht so peinlich!«
Ich lege mich aufs Sofa und versuche, mich auf morgen zu besinnen. Auf was habe ich mich da nur eingelassen? Bisher dominierten Vorfreude und Aufregung beim Gedanken an meinen kleinen Ausflug, nun macht sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Ich fühle mich ein bisschen so, als sei ich von einem Escort-Service eingekauft worden – nur ohne Bezahlung. Irgendwie billig. Leichte Beute. Ich überlege, ob ich nicht besser absage.
Das ist das Gute an Kindern: Man findet immer einen Grund für eine Absage. Ein krankes Kind ist die beste
Weitere Kostenlose Bücher