Aufgebügelt: Roman (German Edition)
siehst du aus!«, befindet er.
Conny trägt hautenge Lederleggings (Ja, ich muss zugeben, sie kann es sich leisten – Rühreiverzicht sieht gut aus!), dazu ein Top und einen Blazer mit Nieten auf den Schultern und an den Ärmelenden. Ich würde sagen, damit kann man als hip durchgehen. Steffi hat einen kurzen Rock aus Spitze mit Lederjacke an, und Tini trägt ein kurzes Kleid mit graphischem Muster. Sehr bunt, viel Neon und garantiert auch Instyle-tauglich.
»Pucci!«, sagt sie, als sie meinen Blick bemerkt.
Aha. Ich kenne Gucci. Zu Pucci trägt sie atemberaubende Sandaletten in Pink. Ich bin definitiv die Biederste. Eben noch fand ich mich schön – im Bereich meiner Möglichkeiten selbstverständlich, und jetzt bin ich ein bisschen die Mutti der Truppe. Mein Kleid ist, wie man in der Modesprache sagt, knieumspielend, eine Länge, die zwar gut für meine Beine, aber nicht besonders hip ist. Tini bietet mir noch an, schnell eine passende Tasche für mich aus dem Zimmer zu holen, aber 575 Euro müssen sich amortisierten, und irgendeine Clutch reißt das hier jetzt auch nicht mehr raus. Außerdem regt sich in mir ein gewisser Trotz. Muss doch nicht jeder aussehen wie die drei! Ich bin so, wie ich eben bin.
»Mit der Tasche siehst du aus, als wolltest du was einkaufen!«, kichert Conny.
»Tja, mal sehen, vielleicht tue ich das ja auch, ansonsten kann ich gut eure Einkäufe verstauen!«, versuche ich einen kleinen Konter.
Wie schön wäre es, jetzt hier mit Sabine zu sein. Ich wäre sogar lieber mit Sabine im Westerwald! Was nützt einem die aufregendste Stadt, wenn die Menschen um einen herum aufregend tun, es aber nicht sind? Erstmals sehne ich mich nach zu Hause. Das ist es doch, was du wolltest, sage ich mir selbst. Ist es das? Ja, es ist anders als mein sonstiges Leben. Und ja, es ist auch irgendwie aufregend, eben weil es anders ist. Aber ich merke, das ist nicht das, was ich brauche.
Das Restaurant 360Istanbul ist eindrucksvoll und voll. Touristen und Einheimische drängen sich am Eingang.
»Acar und Salih haben sicherlich reserviert!«, hofft Horst.
Das hoffe ich auch. Samstagabend scheint auch in Istanbul der klassische Ausgehabend.
»We has a reservation for ten people! Ercan or Cengiz«, stammelt Little Ed.
Sein Englisch ist ausbaufähig. Conny guckt direkt streng.
»We have!«, korrigiert sie ihn. Nicht sehr nett so vor allen anderen. Aber Ed kann’s ab.
»Richtig!«, sagt er nur, und dann wiederholt er, wie in der Schule, den ganzen Satz. Bevor der Kellner antworten kann, stürzt ein Mann mittleren Alters auf uns zu.
»Hoşgeldiniz!«, begrüßt er uns.
»Das heißt herzlich willkommen«, übersetzt Rakete stolz.
Da wäre ich ja nie drauf gekommen.
»Acar Cengiz«, stellt sich der Mann vor. »Salih is waiting at the table!«
Das 360Istanbul ist Restaurant, Bar und Club in einem. Der Name erklärt sich schnell. Man hat einen 360-Grad-Blick über die Stadt, und unsere Gastgeber haben einen tollen Tisch reserviert. Herr Ercan und Herr Cengiz sind höflich, aber ausgesprochen distanziert. Wir Frauen werden an der einen Seite des Tisches platziert, die Männer gruppieren sich an der anderen Seite.
»So können wir noch ein bisschen übers Geschäft reden!«, erklärt Will.
Und wir wahrscheinlich übers Einkaufen. Mich überkommt ein Gähnimpuls. Übers Essen kann man nicht meckern. Angeblich nennt sich die Küche Crossover-Asia-Europe. Egal wie es heißt, und obwohl ich es nicht selbst bestellt habe – das hat Herr Cengiz für uns alle erledigt – es schmeckt.
Mich interessiert, was die beiden Herren zu den Unruhen neulich in Istanbul zu sagen haben. Rakete wirft mir einen entsetzten Blick zu.
»Ich war schon in der Schule gut in PoWi. Ich interessiere mich halt für Politik!«, rechtfertige ich mich eigentlich ohne Grund. Man wird doch mal was fragen dürfen.
»Women better no politics!«, sagt Herr Ercan freundlich, aber doch bestimmt.
Im ersten Moment denke ich, ich hätte mich verhört.
»Ach, Andi, das ist doch langweilig!«, mischt sich da Steffi ein. »Wir wollen uns doch nicht den Abend versauen.«
Meiner ist jetzt schon leicht versaut. Ich lass mir doch nicht von einem Herrn Ercan und einer Steffi den Mund verbieten. Frausein in der Türkei wäre nicht meins. Immerhin eine Erkenntnis, die ich von dieser Reise mitnehme. Ich entschuldige mich und gehe Richtung Toilette, um mich abzuregen. Es bringt ja doch nichts, würde meine Mutter sagen.
Kaum habe ich die Klotür
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