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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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sich von dem entfernt hatte, was er sich einst für sein Leben vorgenommen hatte. Um erfolgreich in seinem Beruf zu sein, hatte er sich anpassen müssen. Anfangs noch widerwillig, später dann, ohne es wahrzunehmen. Und darüber hatte er seine Lebenslust verloren. Als Droste diesen Gedanken fertig gedacht hatte, bemerkte er, dass seine große Männerhand noch immer in der kleinen, aber kräftigen Hand dieses zauberhaften vielleicht zwanzigjährigen Mädchens lag, das, aus welchem Grund auch immer, keine Unterwäsche trug. Oder hatte seine Phantasie ihm da etwas vorgegaukelt?
    »Herr Droste, was ist mit Ihnen?«, erkundigte sich Pauline scheinbar besorgt und sah zu dem groß gewachsenen Juristen auf. Droste, noch immer leicht verwirrt, blickte das Mädchen an, sah hinüber zum Diwan, zu dem Tischchen mit dem obszönen Teeservice, zu den Tüchern an der Wand. Im Eck registrierte er eine Wasserpfeife, und da übernahm seine juristische Gehirnhälfte wieder die Kontrolle. Mit einem Ruck entzog er seine Hand der Verführung.
    »Was hatten Sie eben gesagt?«
    »Was mit Ihnen ist«, meinte Pauline energisch.
    »Nein, davor.« Der Anwalt ließ sich wieder auf dem ihm zugedachten Stühlchen nieder.
    »Keine Ahnung. Ist doch auch egal, Herr Rechtsanwalt. Kommen Sie, Sie kriegen mal eine Hofführung von mir, damit Sie sehen, was Sie zerstören, wenn Sie die Sache hier durchziehen.«
    »Ach ja, das war es«, erwiderte der Anwalt, jetzt fast wieder Herr seiner Sinne. Erleichtert seufzte er auf. Er hatte schon führende Politiker und Wirtschaftsbosse in komplizierten Prozessen vertreten und wahrhaft brenzlige Situationen überstanden, aber das hier hatte eine andere, eine neue Qualität. »Jetzt setzen Sie sich mal wieder hin, mein Fräulein, ich brauche hier nämlich keine Führung über den Hof, weil – so schön das Ganze hier ist – es hat keine Überlebenschance. Wissen Sie, ich habe überhaupt nichts gegen biologische Landwirtschaft. Im Gegenteil: Meine Frau kauft auch manchmal im Bio-Supermarkt ein. Aber diese riesigen Flächen hier sind zu kostbar zum Rübenziehen.«
    »Rübenziehen!«, stieß Pauline empört hervor. »Herr Droste, die Landwirtschaft ist die Grundlage unseres Lebens. Und wenn wir nicht komplett auf biologisch umsteigen, dann stirbt die Menschheit aus.«
    »Wieso sollte die Menschheit deswegen aussterben?«, fragte der Anwalt. Er fand den Zusammenhang, den die junge Frau herstellte, verrückt.
    »Weil wir alle unfruchtbar werden, wenn wir diesen ganzen gespritzten Dreck essen. Es gibt Studien, wonach jedes fünfte Liebespaar kein Kind bekommen kann, obwohl es das will. Das verursacht die Chemie in unseren Lebensmitteln!«
    »So ein Blödsinn«, entgegnete Droste. »Außerdem habe ich ja, wie bereits angemerkt, gar nichts gegen biologische Landwirtschaft, nur eben nicht hier. Hier entsteht ein großes Investorenprojekt, das der Region viele Arbeitsplätze bescheren wird. Die Politik ist ganz auf meiner Seite.«
    »Aber Herr Droste, sind Sie etwa auch ein Anhänger des Sankt-Florian-Prinzips? Es ist doch unser aller Leben! Es ist doch unsere Erde! Haben Sie Kinder?« Droste nickte. »Na sehen Sie: Was haben die von einem Hotelkomplex hier in der Pampa?«
    »Was haben die von einer biologischen Landwirtschaft hier in der Pampa?«, stieß der Anwalt verächtlich hervor.
    »Landwirtschaft ist Leben. Es geht nicht, dass wir alle wichtigen Lebensbereiche ins Ausland transferieren und bei uns nur noch Geldmaschinen betreiben. Das ist unnatürlich und gefährlich. Wir begeben uns in Abhängigkeiten von anderen Ländern, die wir nicht kontrollieren können.«
    »Also, Frau Malmkrog. Ich bin nicht hier, um mit Ihnen über die Zukunft der Menschheit zu diskutieren. Das ist nicht mein Job. Ich bin hier, um die Modalitäten Ihres fristgemäßen Auszugs klarzumachen …«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, und ein offensichtlich frisch geduschtes Mädchen mit nassen langen Haaren, Brustwarzen wie Kirschkernen und perlenden Wassertropfen auf der Haut betrat Paulines Zimmer und flötete: »Hast du eben mal ein Handtuch für mich, Pauline? Habe gerade geduscht, aber da war …« Dann brach die Nackte ab und tat so, als erschrecke sie. »Huch, da ist ja wer!« Doch die Unbekleidete verließ keineswegs den Raum, sondern ging auf Droste zu, deutete einen höflichen Knicks an und hielt dem Anwalt die Hand hin. Dieser versuchte sich ganz auf das Gesicht des Mädchens zu konzentrieren, musste dann aber doch kurz nach

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