Aufgedirndlt
sogar schon den italienischen Ministerpräsidenten behandelt hatte), konnte Nonnenmachers Polizeitruppe Gott sei Dank noch das Handwerk legen, ehe er zu Skalpell und Nadel griff.
Weil immer mehr Anzeigen von Personen eingingen, die sich von zwielichtigen Geschäftemachern geprellt fühlten – etliche davon waren über das benachbarte Tirol bis vom Balkan her angereist –, hatte Kurt Nonnenmacher eigens einen Mitarbeiter abkommandiert, der sich ausschließlich mit diesen Fällen beschäftigen sollte.
»Sie sind jetzt die SOKO Tausendundeins«, hatte der Polizeichef dem frisch bestellten Sonderbeauftragten mitgeteilt. Mit diesem Schachzug beseitigte der Insektenfeind seiner Meinung nach gleich zwei Fliegen auf einen Schlag. Denn zum einen war der aus dem schwäbischen Allgäu an den See abkommandierte Hartmut Schmiedle dadurch beschäftigt, zum anderen konnte er deshalb, weil er hauptsächlich im Büro sitzen musste, um die vielen Anzeigen entgegenzunehmen, mit seinem Dialekt nicht die oberbayerische Seeluft verunreinigen. Eine Weile lang rätselte Schmiedle, warum seine SOKO mit der Zahl 1001 versehen worden war. Dass es eine Anspielung auf das Morgenland und seine Erzähltradition sein könnte, darauf kam der bodenständige Ermittler nicht – im Allgäu ging man früh zu Bett.
Aladdin bin Suhail war die einzige Person aus der Entourage des Scheichs, die die Polizisten bei ihren Wachgängen auf dem Hotelgelände regelmäßig zu Gesicht bekamen, musste der Assistent des heiratswütigen Emirs doch eng mit den Ermittlern und der Hoteldirektion zusammenarbeiten, um die chaotischen Verhältnisse vor dem Hotel in den Griff zu bekommen.
Eines Tages, als Anne gerade ihren morgendlichen Dienst am Haupteingang des Rezeptionsgebäudes angetreten hatte, nutzte sie die Gelegenheit und verwickelte den Cousin des Scheichs in ein Gespräch.
»Ich hätte da mal eine Frage«, begann die Polizistin vorsichtig. Aladdin bin Suhail, der auf Anne stets einen etwas hochnäsigen Eindruck machte, sah sie erwartungsvoll an. »In dieser Zeitungsannonce, die Sie für das Casting veröffentlicht haben, da haben Sie der Gewinnerin doch eine bayerische Immobilie versprochen.« Bin Suhail nickte. »Und welche Immobilie soll das sein?«, fragte Anne und lächelte den Araber freundlich an.
»Eine sehr wertvolle«, antwortete der Assistent des Emirs geheimnisvoll.
»Ja, aber welche?«, insistierte Anne. »Und wieso ausgerechnet eine bayerische? Und wieso eine Immobilie und nicht einfach nur Geld?«
»Mein Cousin, der Emir Raschid bin Suhail, liebt Bayern«, erläuterte der Mann aus dem Wüstenstaat. »Indem er seiner zukünftigen Ehefrau diese Immobilie schenkt, macht er sie glücklich – und sich selbst auch. Denn so hat er hier in Bayern immer ein Zuhause.«
Anne wartete, ob der undurchsichtige Aladdin noch etwas ergänzen würde, aber das tat er nicht. Deshalb fragte sie: »Um welche Immobilie handelt es sich denn nun?«
Aladdin sah sie durchdringend aus seinen dunklen Augen an: »Wollen Sie sich auch bewerben?«
»Ich bin da, glaube ich, ein paar Jahre zu alt«, meinte Anne.
Der Assistent zuckte mit den Schultern. »Ich entscheide, wer beim Casting mitmacht. Ich könnte …«, er zögerte, »… eine Ausnahme machen.«
»Um welche Immobilie geht es denn?«, ließ Anne sich trotz Aladdins nahöstlichem Blick, der sie auf sonderbare Weise berührte, nicht von ihrer eigentlichen Frage ablenken.
»Der Emir von Ada Bhai hat ein Objekt im Auge. Aber das ist noch nicht in trockenen Teppichen – oder wie sagt man hier?«
»In trockenen Tüchern«, verbesserte Anne den Araber und musste schmunzeln.
Am selben Abend dampften auf den Tellern, die Anne und ihre Tochter Lisa auf dem Terrassentisch vor sich stehen hatten, die obligatorischen Butternudeln. Auch eine Ketchupflasche stand bereit. Anne konnte dieses Essen schon seit Langem nicht mehr sehen. Aber Lisa war, so vermutete jedenfalls ihre Mutter, das heikelste Kind der Welt, und alle Versuche, die Tochter dazu zu bringen, auch einmal Reis oder Kartoffeln zu essen, oder eben wenigstens Nudeln mit Hackfleischsoße oder mit irgendeiner anderen Zutat außer Ketchup, waren vergeudete Energie. Und seit Bernhard ausgezogen war, machte es Anne sowieso keinen Spaß mehr, richtig zu kochen.
Sie schob sich gerade lustlos die dritte Gabel Butternudeln in den Mund, als das Telefon klingelte. Anne nahm den Anruf mit einem leise gesprochenen »Anne Loop« entgegen. Es war ihr Chef Nonnenmacher,
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