Aufgedirndlt
überlegte. »Gibt’s hier irgendwo ’ne Wiese oder so was?« Anne und Kastner sahen sie amüsiert an. Wiesen gab es im Tal in Hülle und Fülle. »Na ja, wir wollten eigentlich hier campen. Wir wollen auch bei diesem Casting mitmachen, und das wird ja wohl ein paar Tage dauern.«
»Gut, dann fahr ich euch zum Campingplatz«, meinte Kastner großzügig. Die Vorstellung, siebenundzwanzig sächsische Sommerfrischlerinnen durch die Gegend zu chauffieren, gefiel ihm auf Anhieb.
Bereitwillig stiegen die Damen ein, und Kastner setzte sich ans Steuer. Doch als sie am Campingplatz ankamen, stellte sich heraus, dass dort jetzt, zur Hochsaison, auch bei aller Liebe für ostdeutsche Spontaneität, kein Platz mehr war für die Amazonen.
Aber auch hier wusste Kastner Rat. Die ganze Angelegenheit stimulierte seine Kreativität, und so fuhr er mit dem geblümten Bus einfach beim Hof des Kofler Vitus vor. Er fragte ihn ganz direkt, ob er gegen ein entsprechendes Entgelt für einige Zeit ein Zeltlager auf der Wiese neben seinem Hof dulden würde. Der Kofler Vitus, einer der größten Bauern der südlichsten Seegemeinde, erklärte sich gern dazu bereit, fand er doch die Madeln durchwegs fesch, und gegen das Geld hatte er auch nichts einzuwenden. Außerdem konnte er sich auf diese Weise das Mähen sparen. Die Kühe, das gab er aber nur zu, wenn er am Stammtisch schon ein paar Halbe intus hatte, die Kühe hatte er sowieso nur noch, damit das mit dem »Urlaub auf dem Bauernhof« auch halbwegs glaubwürdig wirkte. Auf Milchproduktion setzten seit dem Preisverfall nur noch Phantasten oder Deppen.
Seine Frau war von der Aktion weniger begeistert, doch als sie davon erfuhr, war es ohnehin schon zu spät, etwas dagegen zu unternehmen, denn da waren die zwanzig Zelte schon neben dem alten, aber gut erhaltenen Bauernhof aufgestellt worden. Die Kofler Leni war, als die Amazonen ankamen, gerade beim Friseur im Ort gewesen. Dies nicht in erster Linie der Haarpracht wegen, als vielmehr, um zu erfahren, was es aus dem Orgienhotel Neues gab. Denn so wurde das schönste Haus am See zwischenzeitlich und vollkommen unfreiwillig bezeichnet.
Doch das, was aus dem Hotel an Informationen nach außen drang, waren ja nur Gerüchte. Von den freizügigen Verhältnissen im Zeltlager der Amazonen konnte sich hingegen jedermann fortan höchstpersönlich überzeugen.
Pauline und die anderen sechsundzwanzig Sächsinnen ließen es richtig krachen. Die unverstellte, natürliche Art, durch die sich die Mädchen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR wesentlich von den bayerischen Frauen unterschieden, beeindruckte vor allem auch die Männerwelt im Tal.
Bereits am zweiten Abend nach der Ankunft der Amazonen saßen über ein Dutzend einheimische Männer am Lagerfeuer zwischen den Zelten der Hippiemädchen. Hoteliers und Gastronomen waren keine vertreten, die hatten in den Sommermonaten für solche Späße keine Zeit. Dafür hatten sich mit dem Schlagersänger Hanni Hirlwimmer und dem Gleitschirmweltmeister Heribert Kohlhammer auch zwei veritable Prominente eingefunden.
Die Sächsinnen zeigten sich beeindruckt von der perlenden Frische des bayerischen Biers, das ein Mitarbeiter der hiesigen Brauerei mit Liebe und Sachverstand aus einem eigens bei seinem Arbeitgeber abgestaubten Fass zapfte. Doch nicht nur dem Bier wurde ausgiebig zugesprochen, die partyerprobten Girls fuhren auch ein ganzes Arsenal an Rauchgeräten und -waren auf. Hier zeigte sich, dass Hanni Hirlwimmer aufgrund seiner Karriere auch drogenmäßig ein Mann von Welt war, denn ganz gleich, ob man ihm Wasserpfeife, Bong oder einen umgebauten Staubsauger anbot, der Hirlwimmer ließ sich nicht lumpen. Bereits um elf Uhr abends glänzten seine Augen wie die eines Fünfjährigen an Heiligabend, und er kuschelte sich bekifft, besoffen und verträumt an die resche Brust einer Amazone. Hirlwimmer war in diesem Augenblick der glücklichste Mensch der Welt, wenngleich er sich an den Namen der Schönen später nicht mehr erinnern konnte.
Auch Kohlhammer zeigte Sportsgeist. Doch da für ihn als Gleitschirmflieger der Sommer Wettkampfsaison war, kiffte und trank er nur ganz wenig, schmuste dafür aber mit drei Frauen gleichzeitig. Dies sorgte kurzzeitig für schlechte Stimmung unter den anderen, nicht so berühmten Partygästen, denn eigentlich hatte man in Bayern bislang nach der Grundregel gelebt, dass eine Frau, egal ob Sächsin oder nicht, für einen bayerischen Mann genügen sollte. Es gab also eine kurze
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