Aufgedirndlt
aufgereiht am Rand des Parkplatzes und bestaunten den See, als wäre er das Kaspische Meer. Kastner zählte siebenundzwanzig bunte Sommerkleider, deren Röcke im bayerischen Wind wehten, und die doppelte Anzahl an Waden. Dann rief er: »Wer ist hier die Fahrerin?«
Die Mädchen drehten sich um und lächelten ihn an. Aber nur Pauline antwortete: »Wieso?«
Jetzt wurde der gutmütige Kastner doch ein wenig grantig: »Weil die gerade einen sauberen Unfall gebaut hat!«
Pauline ging einen Schritt auf ihn zu: »Ist das denn so wichtig, wer gefahren ist? Wir zahlen den Schaden in bar. Wie viel kostet das denn?«
»Tja, das kann ich jetzt noch nicht sagen«, meinte Kastner erstaunt. »Da muss erst einmal ein Gutachter her.«
»Können wir das nicht einfach so unter uns und gleich hier regeln?« Pauline bot ihr verführerischstes Lächeln auf.
»Unmöglich!«, entfuhr es Kastner. »Ich glaub’, ich spinn’! Das ist ein Einsatzfahrzeug der bayerischen Polizei, da geht mit Bargeld gar nix. Wo kommt’s denn ihr überhaupts her?«
»Aus Sachsen.«
»Ach so«, erwiderte Kastner, der sich das ja schon gedacht hatte. Die Herkunft der Damenriege erklärte für ihn einiges. In der DDR, das hatte er schon seinerzeit in der Volksschule gelernt, war es üblich gewesen, sich in möglichst vielen Situationen selbst zu helfen. Aber die DDR gab es nicht mehr, nur die an sich sympathische Überlebensfähigkeit ihrer Einwohnerinnen und Einwohner schien überlebt zu haben. Nicht unfreundlich wiederholte er daher seine Frage von gerade eben: »Also, wer ist gefahren?«
»Niemand«, versuchte die entwaffnend lächelnde Pauline es jetzt auf diesem Weg.
Kastner war ratlos. Eine derartig fröhliche Respektlosigkeit war ihm noch nie untergekommen. Und er hatte schon mit vielen Menschen, auch mit Ostdeutschen, zu tun gehabt, denn der See war gerade auch bei Menschen aus dem Osten ein beliebtes Urlaubsziel. Deshalb war der Polizist froh, dass Anne Loop in diesem Augenblick zu ihm stieß.
»Guten Morgen«, sagte sie freundlich zu Pauline.
»Hi«, antwortete diese.
»Was gibt’s denn für ein Problem?«, erkundigte sich die Polizistin.
»Die wollen nicht sagen, wer den Bus gefahren hat«, erklärte Kastner.
»Das werden wir gleich haben«, meinte Anne. »Dann zeigen jetzt mal bitte alle ihre Führerscheine her, dann werden wir schon sehen, wer überhaupt infrage kommt.«
»Gute Idee«, kommentierte Kastner.
Doch wenige Minuten später war klar, dass dadurch nicht herauszufinden war, wer den Bus gefahren hatte. Zwar zeigten alle siebenundzwanzig Mädchen ihre Führerscheine vor, aber kein einziger berechtigte zum Fahren eines Busses.
»Gut«, meinte Anne immer noch freundlich, »dann ist jetzt Schluss mit lustig. Auf Fahren ohne Führerschein gibt es bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe.«
»Außerdem können mir die Fingerabdrücke der Fahrerin kriminaltechnisch sichern und mit euren abgleichen, dann haben mir die Fahrerin auch. So hat unsere Dienststelle hier schon Mordfälle aufgeklärt«, fügte er selbstbewusst an. Ein bisschen Aufschneiderei konnte nicht schaden.
Pauline glaubte zwar nicht, dass man wegen eines Führerscheindelikts kriminaltechnische Spurensicherung betreiben würde, aber erstens lernte sie die bayerischen Gepflogenheiten gerade erst kennen, und zweitens war es ja eigentlich egal, wenn eine von ihnen ihren Führerschein für eine Weile abgeben musste. Nur das mit der Gefängnisstrafe wollte sie verhindert wissen. Deshalb sagte sie: »Aber das mit dem Gefängnis ist ein Scherz, oder?«
»Nein, so steht es in Paragraf 21 Straßenverkehrsgesetz«, beharrte Anne auf ihrer Drohung.
»Und einen Unfall habt’s ja auch gebaut!«, hielt Kastner der Amazone vor. »Und in den war auch noch ein Polizeiauto verwickelt. Mein lieber Schwan, da kommt ein ganzer Haufen Straftatbestände zusammen.«
»Okay, dann war’s eben ich«, gestand plötzlich Antje und trat vor.
Während Anne die Personalien aufnahm, dokumentierte Kastner den Schaden. Als die Polizisten damit fertig waren, meinte Anne, dass man jetzt nur noch ein Problem habe. Kastner, Antje und Pauline blickten sie überrascht an.
»Na ja, der Bus kann ja hier schlecht stehen bleiben. Und von euch darf ihn keiner mehr bewegen.«
»Stimmt«, meinte Kastner. Aber da fiel ihm etwas ein: »Ich kann den Bus wegfahren. Ich hab’ beim Bund den Busführerschein gemacht. Wo wohnt’s ihr denn? Ich fahr’ euch hin.«
»Also, wir dachten eigentlich, dass wir …« Pauline
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