Aufgedirndlt
nicht wusste, was promisk bedeutete.
»Aber«, der Mann, der eine äußerst knappe Tanga-Badehose trug, erhob nun die Stimme, »es ziemt sich auch nicht, die arabische Haremskultur in einen Zusammenhang mit Sexklubs oder ähnlichen Etablissements zu bringen.« Alle Anwesenden lauschten wie gebannt den Worten des Mannes, der sich so geschmeidig auszudrücken verstand und sich zudem auszukennen schien. »Ich hatte jahrelang beruflich im Nahen Osten zu tun und kann Ihnen nur versichern, dass auch das Haremswesen ganz bestimmten Regeln und Gesetzen unterliegt …«
»Ja, zum Beispiel gibt’s da die Steinigung«, warf ein Zuhörer aus der zweiten Reihe ein.
»… und dass es hier um weit mehr geht als lediglich die Befriedigung eines eventuell vorhandenen übersteigerten Sexualtriebes«, fuhr der Tangaträger fort.
»Ha, um was denn?«, brüllte der Vater der Haremsanwärterin vom Bergsee.
»Familiären Zusammenhalt, den Grundgedanken der Fortführung einer Dynastie, die Bereitstellung einer optimalen genetischen Ausstattung für die Kronprinzen, Erbfolge, solche Dinge … das ist ähnlich wie bei unseren europäischen Königshäusern. Schauen Sie nach England, nach Spanien, nach Schweden …« Der Redner blickte in die Runde. »Der Emir ist ein König, und natürlich wünscht er sich gesunde und intelligente Thronfolger, dies schon aus Staatsräson. Daher wird er daran interessiert sein, gesunde und intelligente Ehefrauen für sich zu gewinnen. Und er wird den Teufel tun und diese schlecht behandeln. Denn damit gefährdet er den Fortbestand seiner eigenen Dynastie.«
»Und wieso sucht der sich die neue Frau ausgerechnet bei uns? Soll er halt eine Araberin nehmen, die sind das Kopftuchtragen und Bauchtanzen schon gewohnt«, entgegnete der vorher so aufgebrachte Vater nun etwas ruhiger.
»Nehmen Sie es als Auszeichnung«, meinte der Tangaträger gütig. »Als Auszeichnung für die bayerische Lebenskultur.«
»Ja, so weit kommt’s noch! Da wär’s mir ja noch lieber, die Angela tät’ einen von den neureichen Spezis heiraten, von denen es hier im Tal immer mehr gibt. Die ganze Internet-Bagage, die wo mit heißer Luft und Geschwafel Millionen macht … Soziale Netzwerke, da kann ich ja bloß lachen!« Jetzt wandte er sich wieder seiner Tochter zu: »Ich sag’ dir eines, Angela: Wenn du meinst, dass Geld glücklich macht, dann brennst’ dich. Das ist meine Meinung.« Er drehte sich um und entschwand mit großen Schritten in Richtung der Umkleidekabinen. Nachdem das Knallen einer Tür zu hören war, vernahm Anne noch das Wort »Saubagage«. Außerdem erzählte einer der Umstehenden den Witz vom Araber, der »Ka Brot mag« (also kein Brot), weil er »Ka-mel hat« (also kein Mehl), und der normale Badebetrieb nahm seinen Lauf.
Saxendi, dachte sich der Höllerer Veit, kurz nachdem er das mit dem Finger gemacht hatte. Dass aber auch ausgerechnet der jetzt hier aufkreuzen muss, wo ich bei einer Leiche steh’, die nicht nur schön ist, sondern auch noch wenig an hat!
Der Mann, der direkt auf Höllerer zumarschiert kam, war bereits in Wurfweite. Dem Pensionisten wurde es ein wenig unwohl zumute. Was hatte der Bürgermeister der nördlichsten Seegemeinde so früh am Morgen, und dazu am Tag nach dem Seefest, hier zu suchen?
»Grüß dich, Veit«, sagte Alois Wax.
»Servus, Alois«, erwiderte Höllerer und beäugte den Würdenträger misstrauisch. »Was machst denn du so früh hier?«
Ohne zu antworten, positionierte sich der Bürgermeister auf der anderen Seite der Leiche und meinte mit Blick auf diese: »Ich glaub’, da ist jetzt eher eine Erklärung von dir angebracht. Ist die tot?«
»Mausetot«, antwortete der Höllerer. »Ich hab’ sie aber bloß rauszogen.«
»So so, bloß rauszogen.«
»Ja.«
»Und die Polizei?«
»Hab’ ich schon gerufen.«
»Ah«, meinte da der Bürgermeister. »Du, dann zieh’ ich jetzt besser Leine. Ich kann hier ja eh nicht helfen, oder?«
Höllerer zuckte mit den Schultern. »Koa Ahnung.« Dann fiel ihm seine Frage von vorhin wieder ein: »Aber sag einmal, was machst du denn jetzt hier in Kaltenbrunn, so früh und ausgerechnet am Tag nach dem Seefest? Da schläfst’ normal doch aus.«
Aber Bürgermeister Alois Wax murmelte nur etwas, das nach »Ortsbesichtigung« klang, und wandte sich dann ab. Höllerer fand das Verhalten des Bürgermeisters in höchstem Maße merkwürdig.
DREI
Einem jeden vernünftigen Menschen – und davon lebten trotz aller verrückt
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