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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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erscheinenden Ereignisse in dem idyllischen Tal nicht wenige – musste einleuchten, dass die Nachricht, dass eine Gruppe junger und hübscher Hippiemädchen sich bis auf Weiteres am See niedergelassen habe, nicht zur Beruhigung der Gemüter beitragen konnte.
    Mit der Ankunft von Pauline, Madleen und ihren Freundinnen vom Zonenhof geriet die Situation derart aus der Balance, dass an manchen Stammtischen schon befürchtet wurde, der See könnte überschwappen und sich in Richtung der Landeshauptstadt entleeren. Aber diese Welle blieb das Gedankenspiel von Stammtischbrüdern.
    Die Amazonen hatten auf ihrem Weg durch Sachsen, Thüringen und Bayern eine Spur der Liebe, mancherorts aber auch der emotionalen Verwüstung hinterlassen. Waren sie in den östlichen Bundesländern noch relativ gut vorangekommen, weil das Interesse an dem alten Bus nicht so groß war, so stellte sich die Weiterfahrt ab dem Überschreiten der Grenze zu Bayern als nicht ganz einfach dar. Zahllose Jungbauern aus strukturschwachen Gebieten, aber auch vielversprechende Firmengründer aus der Online-Szene und Handlungsreisende aus dem Solargeschäft versuchten, die eine und andere Amazone von ihren Qualitäten zu überzeugen und zum Dableiben (die Bauern) beziehungsweise zur Weiterfahrt im schmucken, meist bayerischen Sportwagen (die IT- und Sonnen-Fuzzis) zu überreden.
    Aber die Mädchen vom Zonenhof hatten sich, ehe sie dem verklemmten Anwalt Droste die Hofschlüssel überreicht hatten, geschworen zusammenzubleiben. Und so gab es zwar jede Menge Sex und Liebeskummer auf deutschen Äckern und Wiesen, aber keine einzige Verlobung. Und das, obwohl meist mehrere Heiratsanträge am Tag abgeschmettert werden mussten.
    Natürlich gestaltete sich auch die Ankunft am See als äußerst aufregend. Die am Steuer sitzende Antje rammte nämlich gleich einmal das Einsatzfahrzeug, mit dem Anne Loop und Sepp Kastner an diesem Morgen zum Wachdienst am Hotel vorgefahren waren.
    Klar, dass dies nicht das erste Auto war, das die Mädchen auf ihrem Weg durch drei deutsche Bundesländer touchiert hatten, aber es war das erste Polizeifahrzeug. Man sollte dennoch nicht zu streng urteilen: Wenn man niemals eine Busfahrschule besucht und niemals Fahrstunden zum Üben genossen hat, ist es schier ein Ding der Unmöglichkeit, ein derart großes Gefährt auf einem engen Parkplatz zu rangieren, ohne dem einen oder anderen Auto eine Ecke wegzufahren. Antje, die das letzte Stück der Fahrt die Verantwortung für das Steuer übernommen hatte, war schon stolz, die enge Bergstraße zum Casting-Hotel bewältigt zu haben, ohne an einem Zaunpfahl oder einem Strommast hängen geblieben zu sein.
    Es war ein herrlicher Tag, die Sonne schien, als hätte es nie eine Schulden- oder Eurokrise gegeben, und so sprangen die Mädchen fröhlich aus dem Bus und machten ihrer Begeisterung für die Einzigartigkeit des bayerischen Bergtals mit seinem wunderbaren See ausführlich Luft.
    Ausrufe wie »Oh, ist das schön!«, »Guck mal, die hohen Berge!« oder »Schau mal, da unten fährt’n Boot!« hörte man mehr als einmal, was dazu führte, dass Sepp Kastner, der den Unfall genau beobachtet hatte, in einen gewissen emotionalen Zwiespalt geriet: Einerseits freute er sich, dass diese Girlie-Truppe in Sommerkleidern ganz offensichtlich seine Heimat schön fand, andererseits empfand er es als Unding, dass die Damen aus Sachsen – die Herkunft hatte er sofort am Dialekt erkannt – sich überhaupt nicht um den Schaden kümmerten, den sie mit ihrem Bus angerichtet hatten.
    Bei näherer Betrachtung fiel Kastner auch auf, dass das Vehikel nicht zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit anderen harten Gegenständen gegangen sein konnte, denn die Karosserie wies überall Beulen und Kratzer auf. Auch die Lackierung des Gefährts fand der Polizist ungewöhnlich. Pauline, Madleen und die anderen hatten den Bus nämlich vor ihrer Abfahrt noch knallrot grundiert und danach mit gelb-weißen Blumen bemalt, von denen die meisten so groß waren wie Autoräder oder sogar noch größer. Aber davon konnte Kastner sich jetzt nicht ablenken lassen, er musste die Unfallverursacherin und den Schaden feststellen.
    Dies war aber gar nicht so einfach, denn in dem allgemeinen Tohuwabohu war ihm entgangen, welches der Mädchen am Steuer gesessen hatte. Außer den Damen aus dem Bus war der Platz vor dem Hotel ja auch noch von den üblichen Haremsanwärterinnen bevölkert. Die Sächsinnen standen mittlerweile wie Perlen an einer Kette

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