Aufgedirndlt
Nonnenmacher oder irgendjemand anderer ihn später danach fragen, was er, Kastner, an einem lauen Sommerabend auf einer frisch gemähten Wiese mit siebenundzwanzig leicht bekleideten und unverheirateten Mädchen aus Ostdeutschland verloren gehabt habe, würde die Verhinderung von Gefahren für die Bevölkerung sicherlich ein Grund sein, den man nennen konnte.
Im Nachhinein muss man sagen, dass vor allem Kastner sich durch diese Entscheidung in Gefahr begab. Denn kaum war der Polizist in den Kreis, der sich um das Lagerfeuer scharte, aufgenommen worden, spürte er schon links und rechts seines Gesäßes zwei weiche sächsische Hüften. Von den beiden Damen neben ihm ging zudem ein die Sinne betörender Duft nach Natur und Abenteuer aus, den Kastner so noch nie gerochen hatte.
Auf der anderen Seite des Lagerfeuers erkannte Kastner den berühmten Gleitschirmprofi Heribert Kohlhammer, der allerdings mit Knutschen beschäftigt war. Und als Kastner sah, dass der Hanni Hirlwimmer, der so harmlose Lieder über die Liebe sang, gerade an einer großen trichterförmigen Zigarette zog, welche er dann an seine Nachbarin weitergab, wollte der Polizeibeamte schon aufspringen und sich so schnell wie möglich nach Hause absetzen. Doch weil die Arme der beiden Sächsinnen neben ihm ihn mit geradezu unwiderstehlicher Zärtlichkeit umschlangen, geriet der durch und durch geradlinige Polizist ein wenig aus der Spur. Man kann durchaus behaupten, dass dieser Kontrollverlust noch dadurch gesteigert wurde, dass ihm eine seiner Nachbarinnen einen Joint in den Mund steckte. Zwar tat es Kastner dem einstigen amerikanischen Präsidenten gleich und inhalierte nicht, aber dennoch konnte sich der standhafte bayerische Polizist nicht gänzlich der Wirkung des Betäubungsmittels entziehen; die Dame, welche rechts von ihm saß, pustete ihm nämlich auch noch eine ganze Ladung von dem Kräuterrauch ins Gesicht. Das Erstaunliche dabei war, dass Kastner diesen Vorgang als überhaupt nicht unangenehm empfand. Auch im weiteren Verlauf des Abends kam er immer mehr zu dem Schluss, dass diese Frauen aus Ostdeutschland schon wussten, wie man den Glauben an das katholische Lebenskonzept, das leider Gottes vor allem auf irdischer Entsagung gründete, mit ein paar qualmenden Bio-Kräutern, Liebe und nach Reinheitsgebot gebrautem Bier erschüttern konnte.
Was noch alles in der Nacht passiert war, daran konnte sich Sepp Kastner später nicht mehr genau erinnern. Jedenfalls erschien ihm unvorstellbar, dass stimmte, was ihm sein Chef Kurt Nonnenmacher am nächsten Morgen ins Gesicht schrie: In Kastner müsse der Teufel eingefahren sein. Oder wie er sonst erklären könne, dass er, Kastner, bekifft und besoffen geheime Interna der Polizeiarbeit verraten habe, am Lagerfeuer mit dreißig ostdeutschen Nymphomaninnen?
Es seien nur siebenundzwanzig gewesen, brachte Anne Loops größter Verehrer zaghaft vor. Seine Denkfähigkeit war an diesem Morgen aber tatsächlich etwas eingeschränkt. Zu welchen Handlungen hatte er sich hinreißen lassen? Aufgewacht war er am Morgen jedenfalls in seinem eigenen Bett.
»Ich habe heut’ früh den Hirlwimmer getroffen, und der hat mir erzählt, was du dir gestern geleistet hast, Sepp! Unglaublich! Wie sollen mir denn die Sicherheit von diesem dahergelaufenen Araber-Kini gewährleisten, wenn du alles verrätst? Warst du denn komplett dicht, oder was?«
»Was soll ich denn verraten haben?«, erkundigte sich Kastner vorsichtig.
»Du Depp! Dienstpläne hast du verraten und sogar angeboten, dass du dafür sorgen kannst, dass die Sächsinnen beim Casting bevorzugt behandelt werden. Das stimmt doch überhaupt nicht. Mir haben doch mit dem Casting gar nix am Hut. Und mir sind doch auch heilfroh, dass mir damit nix am Hut haben!«
Kastner wusste nicht, was er antworten sollte. Der Chef hatte ja recht. Hatte er wirklich derart kühne Reden geschwungen? Sein Schädel brummte dumpf, aber der Inspektionsstellenleiter schrie weiter: »Und morgen ist Seefest! Und mir haben einen Sauhaufen Arbeit. Und du feierst Orgien mit Schlampen. Sepp, das geht nicht. Du musst dich jetzt am Riemen reißen!« Nonnenmacher dachte kurz nach, sah zum Fenster hinaus. Dann fragte er scharf: »Sag mal, hast du auch Drogen genommen?«
»Na-in.« Kastner stöhnte auf. »Also sicher … ziemlich sicher nicht.« Er zögerte. »Warum? Hat das der Hirlwimmer behauptet?«
»Sepp, du machst einen Drogentest. Jetzt sofort. Mir kommen sonst in Teufels Küche. Wenn du
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