Aufgedirndlt
Diskussion, in der Kohlhammers Eloquenz und die Muskelkraft des Beschwerdeführers ins Feld geführt wurden. Kohlhammer lenkte schließlich ein und erklärte sich bereit, nur noch mit maximal zwei Frauen zu knutschen. Da aber nach Mitternacht sowieso ein gewisser Frauenüberschuss herrschte, weil die anwesenden Männer entweder im Koma lagen, zurück zu ihren Ehefrauen mussten oder aber zum Knutschen und zu sonstigen Verlustigungen wegen ausgiebigen Betäubungsmittelgebrauchs technisch nicht mehr imstande waren, gab es im weiteren Verlauf der Nacht keine Diskussionen mehr über Sinn und Gerechtigkeit der Vielweiberei. Ein Sieg der Vernunft unter widrigsten Bedingungen.
Aber auch andere Probleme lösten sich in der bayerischen Luft auf wie Zucker in Caipirinha.
Sepp Kastner hatte den Mädchen, nachdem er sie auf Vitus Koflers Feld abgeladen hatte, schärfstens eingebläut, sich auf keinen Fall noch einmal ans Steuer zu setzen. Doch wie sollten die Amazonen dann zum mehrere Kilometer entfernten Harems-Casting in der Stadt kommen?
War es Zufall, Schicksal, Vorsehung, was den Mädchen daraufhin widerfuhr?
Just als die Mädchen vom Zonenhof begonnen hatten, ihre Zelte aufzubauen, wanderte jedenfalls ein sehr stark und schwarz behaarter Mann mit braun gebrannter Haut am Feld des Bauern Kofler vorbei. Es handelte sich um einen von Beduinen abstammenden Libyer mit Namen Mohammed, der nicht mit ansehen konnte, dass Frauen Zelte aufbauten. Einmal mehr wunderte er sich über die Europäer – warum sprang den Damen niemand helfend bei? Spontan verschob der Nordafrikaner und Menschenfreund seinen ursprünglichen Plan, über München und Köln nach Schweden zu laufen, und half den Sächsinnen bei der Errichtung ihres Lagers. Obwohl Mohammed, der von sich behauptete, erst zweiunddreißig Jahre alt zu sein, aber viel älter aussah, nur ein schwer verständliches Deutsch sprach, fand Pauline heraus, dass er auf einem Flüchtlingsschiff vor den Unruhen in seinem Land geflüchtet und zu Fuß durch halb Europa marschiert war. Mehrmals sei er fast verhungert, und außerdem habe er Heimweh, gestand er, doch seit er dieses Zeltlager gesehen habe, gehe es ihm schon viel besser. Ein Zeltlager, so der gute Mann, verströme für ihn den Duft der Geborgenheit. Pauline hatte sofort Mitleid mit dem natürlich in einem Zelt geborenen Nomaden, hatten doch auch sie den Zonenhof so überstürzt verlassen müssen, und bot ihm eine Stelle als Hausmeister in der frisch gegründeten Zeltstadt an. Dies widersprach zwar der Hauptregel, dass die Amazonen männerlos zu leben hatten, aber zum einen war man nun in Bayern, wo, wie jeder weiß, eigene Gesetze gelten, und zum anderen handelte es sich bei Mohammed um einen humanitären Notfall. Erst später am Lagerfeuer stellte sich heraus, dass der Flüchtling über einen libyschen Busführerschein verfügte. Hier hatte wahrlich Gott – oder zumindest der bayerische Papst – die Hand im Spiel!
Und so hielt der rote Blumenbus voller fröhlicher Mädchen gleich tags darauf wieder vor dem Casting-Hotel, was bei Sepp Kastner, der an diesem Tag ohne Anne Dienst schob, für einen kurzen, aber intensiven Augenblick des Schreckens sorgte.
Sofort stellte er den am Steuer sitzenden Mohammed zur Rede. Pauline sprang dem radebrechenden Libyer bei, was auch nötig war, denn der Beduine hatte ganz offensichtlich schreckliche Angst vor dem deutschen Polizeibeamten. Pauline erklärte ihm, dass der Polizist nur seinen Busführerschein sehen wolle. Als Mohammed verstanden hatte, verschwand seine rechte Hand vorn in seiner Hose, was dem Flüchtling entsetzte Blicke sowohl von Sepp Kastner als auch von Pauline eintrug. Aber dann zog der Wüstenbürger aus den Tiefen seiner Unterhose ein brieftaschengroßes Päckchen hervor, das sich als eine in echtes libysches Ziegenleder gewickelte Sammlung wichtiger Dokumente entpuppte. Da staunten Pauline und Kastner. Noch mehr staunten sie, als sie den Busführerschein sahen. Egal, ob man der arabischen Schrift mächtig war oder nicht, es ließ sich auf dem Lappen, den Mohammed dem Polizisten freudestrahlend entgegenreckte, praktisch nichts erkennen.
»Und das soll ein Busführerschein sein?«, fragte Kastner ungläubig.
»Ja ja«, erwiderte der Libyer, »aber viel waschen mit Wasser von Meer. Mohammed Lampedusa schwimm schwimm.«
»Er meint«, übersetzte Pauline, die ja Mohammeds Geschichte vom gestrigen Abend am Lagerfeuer schon kannte, »dass der Führerschein unter der
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