Aufgedirndlt
einer Frau verpasst worden waren. Auf dem Fahrzeugheck stand außerdem der Schriftzug »I love you«. Das war zwar nicht bairisch, aber trotzdem bekam jede Frau, die hinter Hirlwimmer herfuhr, unweigerlich Herzklopfen – es war ja klar, dass der Schlagerpoet mit dieser Liebeserklärung sie ansprach, sie ganz allein.
Weil der Liebesschlitten falsch und gefährlich abgestellt worden war, blieb Kastner gar nichts anderes übrig: Er musste nach dem Rechten sehen, schlimmstenfalls war ein Strafzettel fällig. Der Polizist linste also durch das Fenster der Beifahrertür und erkannte auf einen Blick, dass Hanni Hirlwimmer persönlich im Wagen lag. Allerdings, und das war ungewöhnlich: allein; und in ziemlich verdrehter Körperhaltung. Es sah unbequem, ja beinahe yogamäßig aus, wie der Hanni da lag. Kastner klopfte an die Scheibe. Sofort hob Hirlwimmer den Kopf, rappelte sich auf und öffnete die Autotür.
»Ja, Servus Sepp!«, sagte er und strahlte dabei, obwohl er aus dem Schlaf gerissen worden war, das Charisma aus, das nur Schlagersänger haben.
»Servus«, antwortete Sepp. »Sind mir denn per Du?«
»Ja sowieso«, sagte Hirlwimmer überrascht. »Mir haben doch Brüderschaft geraucht bei den Madeln aus Sachsen.«
Kastner konnte den Schrecken, der ihn mit einem Mal durchfuhr, nicht sehr gut überspielen. Auch wenn es ihn freute, dass er nun anscheinend auf Du und Du mit einem echten Star war, wollte er nicht schon wieder an diese vermaledeite Drogensache erinnert werden. Deshalb sagte er: »So, so. Und was machst du jetzt hier? Dein Auto steht total verkehrswidrig. Das ist gefährlich und kann teuer werden.«
»Ich hatte gerade eine Eingebung«, erklärte der Hirlwimmer hierauf würdevoll.
»Eine göttliche?«, erkundigte sich Kastner, dies durchaus im Ernst, denn er war von seiner Mutter religiös erzogen worden.
»Nein, ein Lied halt. Wenn ich so eine Eingebung habe, dann muss ich sie sofort aufschreiben, sonst ist sie weg.« Der Schlagersänger konstatierte Kastners suchenden Blick – denn nirgends in der Luxuskarosse war ein Schreibwerkzeug, geschweige denn ein Blatt Papier zu sehen – und sagte deshalb schnell: »Bevor ich es aufschreibe, muss ich die Augen schließen und ein Mantra beten.«
»Ein Mantra«, wiederholte Kastner zweifelnd. »Ich hab’ gedacht, du bist katholisch.«
»Ja, schon auch.«
»Darf ich mal was sagen«, meinte der Polizist jetzt. Hirlwimmer sah ihn erwartungsvoll und mit der Unschuld eines Wiener Sängerknaben an. »Hier stinkt’s nach Schnaps. Ich glaub’, du bist hier nicht am Lied-Dichten, sondern am Rausch-Ausschlafen, und vermutlich bist du sogar besoffen hierhergefahren.« Der Polizist schob sich die Mütze aus dem Gesicht, es war ein warmer Tag.
»Ach geh, Sepp«, entgegnete der bayerische Barde nun mit wohlwollender Herablassung. »Mir sind doch Brüder seit kürzlich. War doch ein super Abend bei den Amazonen!«
»Bei wem?«, fragte Kastner und wich erschrocken zurück, denn das Wort »Amazonen« hörte sich irgendwie gefährlich an.
»Bei den Amazonen. So nennen die sich doch, die Madeln.«
»So nennen die sich also … Amazonen.« Kastner schwieg nachdenklich.
»Die sind doch das Beste, was uns seit Langem passiert ist im Tal, oder? So gut drauf, so erfrischend, echte Partypeople.« Der Sänger warf seinen Kopf mit den halblangen Haaren nach hinten und schaute dann zum Wallberg hinüber, der ein prachtvolles Bild bot, wie er da mächtig vor klarstem Himmel dastand und auf sie hinunteräugte wie ein freundlicher Riese.
»Partypeople«, wiederholte Kastner das komische Wort. Dann fing er sich wieder und erinnerte sich an den Grund, wieso er hier war. »Also, warum stinkt’s hier so nach Enzian?«
»Jetzt geh, Sepp. Steig ein, dann fahren wir zu mir, hocken uns auf die Terrasse und trinken einen Kaffee«, versuchte es der romantische Liedermacher noch einmal auf die Kumpeltour.
Doch der Polizeibeamte schüttelte ablehnend den Kopf.
Hanni Hirlwimmer aber hatte in seinem Künstlerleben schon mit vielen und verschiedensten Menschen zu tun gehabt, auch international, und deshalb wusste er, dass eine gute Geschichte noch jeden auf andere Gedanken brachte. Besonders Geschichten, in denen intime Details ausgeplaudert wurden. Deshalb senkte er seine Stimme zu einem Raunen und sagte: »Weißt fei schon, die Amazonen sind alle tätowiert.« Kastner starrte ihn an, sodass er fast ein wenig dümmlich aussah. Gekonnt schob der Schlagerprinz vom Bergsee hinterher: »Im
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