Aufgedirndlt
Intimbereich!«
Hatte der Hirlwimmer doch den richtigen Riecher gehabt. Denn jetzt fragte Sepp Kastner ganz aufgeregt: »Im Intimbereich?!«
»Ja!«, bekräftigte Hirlwimmer. »Und zwar Hörner!«
»Hörner?«
»Ja!«, sagte der Schlagersänger noch einmal. »Im Intimbereich, also weißt’ schon, ›intim‹ heißt da unten.« Er zeigte auf die Lade seiner schwarzen kurzen Lederhose.
Kastner entwich hierauf ein knappes »Depp«, das der Musiker aber ignorierte. Vielmehr fuhr er fort: »Und weil die Damen alle keine rasierte Muschi haben, wie das ja sonst heute bei mir im Musikbusiness üblich ist, schaut das Schamhaar zusammen mit den Hörnern aus wie der Kopf von einem Rehbock.«
»Du sagst Sachen«, stammelte Kastner, der seine Sprache wiedergefunden hatte. »Wie ein Rehbock im Intimbereich …«
»Nein, nicht wie ein Rehbock im Intimbereich«, korrigierte der Schlagersänger mit verkaterter Ungeduld. »Der Intimbereich plus das Tattoo schaut aus wie ein Rehbock.«
»Ja, ja«, erwiderte der polizeiliche Ermittler ungehalten, »ich hab’ das schon verstanden. Und du sagst, dass die alle so tätowiert sind?«
»Alle. Durch die Bank.« Hirlwimmer nickte.
Kastner dachte kurz nach, dann meinte er: »Aber woher willst du das denn wissen? Ich meine, das sind an die dreißig Frauen. Hast du …?«
Da lachte der Hirlwimmer Hanni laut auf. »Nein, nein, nicht alle, aber eine Handvoll schon. Und bei denen allen war das so.«
»Fünf?«, fragte der Polizist erschüttert.
»Ja, so was werden’s schon gewesen sein. Fünf oder sieben oder was weiß ich, weißt ja selber, wie’s zugeht im Zeltlager bei denen.«
Kastner nickte. Das wusste er. »Aber woher weißt du, dass die alle so tätowiert sind?«
»Die haben’s mir halt gesagt. Weil, wie ich die zweite ausgepackt hab, du weißt schon … da hab’ ich mich natürlich schon gewundert, wieso die jetzt auch so Hörner da hat. Und die hat’s mir dann erklärt.«
Sepp Kastner verzichtete an diesem Tag auf die Ausstellung eines Strafzettels zulasten des weltbekannten Schlagersängers Hanni Hirlwimmer, er hatte Wichtigeres zu tun.
Minuten später stand er auf der anderen Seite des Sees zwischen den Zelten der Reisegruppe aus Ostdeutschland und beschoss deren inoffizielle Leiterin Pauline mit Fragen. Am Ende der Vernehmung wusste Kastner, dass tatsächlich eines der Mädchen fehlte: Madleen Simon, einundzwanzig Jahre alt, geboren in Chemnitz, dunkelblondes, brustlanges Haar, leichte Naturwelle, blaue Augen. Sofort verfrachtete er Pauline in den Streifenwagen und fuhr sie zur Polizeiinspektion. Wenig später hatten die Ermittler Gewissheit: Die Identität der Toten stand zweifelsfrei fest. Pauline hatte sie als ihre Mitkommunardin Madleen identifiziert.
Zur zweiten Lagebesprechung mit den Kripoleuten an diesem Tag hatte Nonnenmacher sich seine Polizeikellen-Fliegenklatsche mitgenommen, hatte ihn doch am Morgen eine Fliege arg gepiesackt. Da Anne Loop sich Sorgen um den Kaffee machte, den sie sich für die Konferenz geholt hatte, wählte sie einen Platz in sicherer Entfernung zum Dienststellenleiter. Wie ein Tennisspieler fegte er die Insekten, die im Umkreis von etwa eineinhalb Metern um ihn herumflogen, über ein nicht vorhandenes Netz. Es war fast wie in Wimbledon. Trotzdem meinte Sebastian Schönwetter nach einer Weile, in der alle schweigend den Topspin-Vorhänden und Slice-Rückhänden, den Schmetterbällen und Aufschlägen des Polizeichefs zugesehen hatten, höflich: »Können wir dann mal?«
»Ihr könnt’s ja schon mal anfangen«, meinte Nonnenmacher. »Ich kümmere mich derweil um die Sauviecher.«
»Also, würden Sie dann bitte«, wandte sich Schönwetter an den Kollegen aus der Rechtsmedizin.
Nachdem dieser noch einen befremdeten Blick in Richtung des Dienststellenleiters geworfen hatte, begann er seinen Vortrag. »Die Sache ist eindeutig. Das Opfer ist, wie ich es bereits vermutet hatte, nicht ertrunken.«
Sofort hielt Nonnenmacher mit seinem Schlagtraining inne und warf ein: »Wer sagt das? Na logisch ist die ertrunken!«
»Nein, Herr Nonnenmacher, sie ist nicht ertrunken«, erwiderte der Arzt genervt. »In der Lunge fand sich kein Tropfen Wasser. Damit können wir einen Tod durch Ertrinken eindeutig ausschließen.« Ehe der Dienststellenleiter weiteren Unsinn von sich geben konnte, fuhr der Arzt fort: »Viel interessanter aber ist für uns, was wir im Blut gefunden haben: Neben Alkohol …«
»Hab’ ich’s doch gewusst!«, fiel der
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