Aufgedirndlt
bekommt?«
»Was für Liquid?«, fragte der Kräftigste der Teenager, er war braun gebrannt und genauso angezogen, wie sich Kastner einen Surfprofi aus Hawaii vorstellte. Vermutlich war es aber nur ein neureicher Pinkel. »Bier oder was? Gibt’s drin.« Der Junge zeigte auf die Eingangstür.
»Nix Bier, ich meine richtigen Stoff«, präzisierte Kastner, so cool er konnte, denn eigentlich war er ziemlich aufgeregt.
Die Teenager sahen ihn befremdet an. »Drogen oder was?«
Kastner nickte.
»Bist’n Bulle?«, fragte ihn jetzt ein Kleinerer mit kurz rasierten Haaren und machte einen großen Schritt auf Kastner zu.
»Nein, nein, mich interessiert’s bloß. Also, ihr wisst’s nix?«
»Nö.«
»Okay, also dann …«, sagte Kastner und wandte sich ab.
Der Polizist war froh, als er wieder neben Anne stand. »Die wissen auch nicht, wo’s Liquid Ecstasy gibt«, meinte er. Sein Blick wanderte zu Boden und blieb an Annes Füßen hängen. Sie waren wunderschön, die Nägel dunkelbraun lackiert. Kastner hätte sie gerne geküsst. »Ich glaub’, da brauchen wir gar nicht reinzugehen.« Er dachte nach. »Komm, jetzt gehen wir noch in diesen Klub mit dem französischen Namen, und dann machen wir Schluss«, schlug er vor. Zwar hätte Anne gerne noch herausgefunden, um welche Art des Nachtvergnügens es sich bei der Chica’s Night handelte, aber sie war erschöpft. Die Anstrengungen der vergangenen Tage waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen, und es war schon ganz schön spät.
Umso überraschter war sie, dass es ihr im zweiten Klub des Abends tatsächlich gelang, an der Tanzfläche und bei wummernden Bässen mit einigen jungen Kerlen ins Gespräch zu kommen. Während ihr Kollege finster dreinblickend an der Bar stand, gaben ihr die fünf Jungs, die schon ein wenig angetrunken waren, bereitwillig Auskunft: GHB kenne ja wohl jeder. Es komme auch »ganz cool«, und obendrein sei es praktisch, weil man es relativ unproblematisch selbst herstellen könne. Letztlich müsse man nur Lackabbeizer und Kloreiniger zusammenkippen, und fertig sei die Soße. Natürlich müsse das Mischungsverhältnis stimmen.
Anne war erstaunt. War sie mit ihren vierunddreißig Jahren schon zu alt, zu weit weg vom Lebensalltag dieser Jugendlichen, um sich vorstellen zu können, dass man so jung schon mit derart gefährlichen Drogen jonglierte? Lackabbeizer? Und Kloreiniger? Liquid Ecstasy war ein Betäubungsmittel mit tödlicher Wirkung! Oder wollten die Jugendlichen, die im Laufe des Gesprächs immer zudringlicher wurden und sie das eine ums andere Mal scheinbar zufällig an ihren nackten Armen berührten, sie einfach nur beeindrucken? Als ihr gegen ein Uhr einer von ihnen, ein eigentlich ganz smart aussehender Jungspund mit blond gelocktem Haar, ins Ohr schrie – die Musik war sehr laut –, dass er gerne mit ihr schlafen würde, fühlte sie sich zwar jung und angeschickert, gleichzeitig war ihr aber klar, dass es Zeit war, den Klub zu verlassen.
Auf dem Heimweg, der sie am See entlang führte, war Anne froh, dass Sepp an ihrer Seite ging. Man konnte nie wissen, auf welche abstrusen Ideen ihre betrunkenen Gesprächspartner noch kommen konnten. Kastner hatte genau beobachtet, wie die jungen Typen Anne angebaggert hatten, und war deshalb ziemlich empört.
»Ich hab’ schon überlegt, ob ich dir helfen soll. Die haben dich ja voll angegrapscht!« Anne zuckte mit den Schultern, sie war müde. »Unglaublich, wie aufdringlich manche Männer sind, oder?«
Anne machte nur »mmh«. Sie gingen schweigend weiter und lauschten den Grillen, die in der milden Sommernacht zirpten. Ab und an rauschte ein Auto auf der nahen Straße vorbei. Dann war es wieder still, und man hörte hier und da ein Plätschern im See, weil ein nassforscher Fisch kurz die Wasseroberfläche durchbrochen hatte. Auch Wassertiere haben eine romantische Ader und schauen sich gerne einmal den sternenklaren Himmel an.
Als das ungleiche Ermittlerteam beinahe Annes Haus erreicht hatte, fragte Kastner: »Soll ich noch auf einen Kaffee mitkommen?«
Anne fand diesen Einfall derart verrückt, dass sie ihn schon fast wieder gut fand. Wie unbeholfen Sepp das gesagt hatte, war doch irgendwie süß. Und sie sehnte sich auch nach körperlicher Nähe. Sie kuschelte zwar gern mit ihrer Tochter, aber das war etwas völlig anderes. Doch Sepp, so nett er auch war, kam nicht als Partner für sie infrage, nicht einmal für eine verschmuste Nacht. Warum dies so war, konnte Anne sich nicht
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