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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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erklären. Manche Männer waren einfach nicht dazu geeignet, mehr zu sein als gute Freunde.
    »Ach Sepp, ich glaube, ich mag heute keinen Kaffee mehr machen.« Anne gähnte. Sie spürte, wie Kastner in sich zusammensackte, und musste gegen den unwillkürlichen Impuls ankämpfen, ihn zu trösten. Es würde ja doch nichts bringen.
    Später im Bett dachte sie an Bernhard. Je mehr es sich herumgesprochen hatte, dass sie nicht mehr mit ihm zusammen war, desto häufiger hatten ihr Freunde und Bekannte gesagt, dass das doch gut sei. Der »lahmarschige« Bernhard – ja, derart drastisch hatte es einer formuliert – habe ohnehin nicht zu ihr gepasst. Viel zu lange habe sie ihn mitgeschleppt. Der habe doch eh nur genervt. Sie habe einen Besseren verdient. Sie sei schließlich auch keine Therapeutin.
    Vermisste sie Bernhard? Sollte sie ihn mal wieder anrufen? Als Anne der Müdigkeit nichts mehr entgegenzusetzen hatte, galt ihr letzter Gedanke aber nicht Bernhard. Vielmehr freute sie sich, dass sie im Besitz der Handynummer und Adresse eines Gymnasiasten war, von dem die Jungs aus dem Klub behauptet hatten, er sei ein Ass in Chemie und wisse, wie man GHB herstelle. Dieses Bewusstsein ließ die junge Ermittlerin mit einem guten Gefühl einschlafen.
    Zwar blieb Sebastian Schönwetter formell weiterhin der Leiter der Arbeitsgruppe »Madleen«, aber da er in seiner Position für eine Vielzahl von Fällen zuständig war, hatte er die Verantwortung für die nächsten Ermittlungsschritte an Anne delegiert. Die attraktive Polizistin wusste, dass er ihr telefonisch jederzeit zur Verfügung stand, doch die vielen mühsamen Vernehmungen, die jetzt nötig waren, sollte sie, so hatte er es entschieden, in Eigenregie und unterstützt von Sepp Kastner und Kurt Nonnenmacher übernehmen. Da Letzterer sich nicht sehr engagiert zeigte, wollte Anne an diesem Tag mit Kastner allein das Zeltlager, in dem Madleen zuletzt gewohnt hatte, aufsuchen. Doch als sie den Kollegen mit ihrem Vorhaben konfrontierte, legte dieser zu ihrer Überraschung ein sehr merkwürdiges Benehmen an den Tag und flüchtete sich in abstruse Ausreden, die in dem Ausruf mündeten, dass Anne das mit den Vernehmungen im Zeltlager doch auch alleine hinbekommen werde.
    »Ich will aber, dass du mitkommst, Sepp!«
    »Ich kann doch derweil den Gymnasiasten vernehmen.«
    »Aber der ist doch jetzt in der Schule, Sepp.«
    »Dann halt den Ölscheich …«
    »Sepp! Ich möchte, dass du mich zu den Hippiemädchen begleitest!«
    »Ich mag aber nicht.«
    Anne verstand die Welt nicht mehr. War er beleidigt, weil sie keine Lust gehabt hatte, mitten in der Nacht mit ihm Kaffee zu trinken? Das musste er doch verstehen!
    »Sepp, wir machen das jetzt zusammen. Auch den Gymnasiasten und die Araber werden wir gemeinsam vernehmen. Vier Ohren hören mehr als zwei.«
    Mit einem zur Schau getragenen Widerwillen, wie ihn Anne noch nie an ihrem Kollegen beobachtet hatte, kam Kastner schließlich mit.
    Anne stellte das Einsatzfahrzeug am Rand von Vitus Koflers Feld ab und stieg aus. Auch Kastner verließ den Wagen, allerdings ließ er sich sehr, sehr viel Zeit damit. Anne hätte ihm am liebsten in den Hintern getreten.
    Es war noch nicht einmal neun Uhr, im Zeltdorf war alles ruhig.
    »Die schlafen alle noch. Komm, gehen wir wieder«, schlug Sepp vor – und er meinte das ernst!
    Doch Anne ging stattdessen zu einem der Zelte, klopfte an den Stoff und sagte mit leiser, singender Stimme: »Hallo, guten Morgen, wir sind von der Poliz-aaa-iii.«
    Im Zelt raschelte es hektisch, der Reißverschluss ratschte nach unten, und eine vom Schlaf zauberhaft zerknitterte Pauline blinzelte in die bayerische Morgensonne. »Polizei?«
    »Ja, guten Morgen«, sagte Anne. »Wir hätten da ein paar Fragen.«
    »Oh, ich bin ja noch gar nicht richtig wach.« Dann entdeckte Pauline hinter Anne deren Kollegen Kastner und sagte erstaunt: »Hey, Seppi! Du hier?«
    Anne starrte zuerst Pauline Malmkrog, dann ihren Begleiter an. Staunend wiederholte sie: »Seppi?« Das »i« betonte sie dabei ganz besonders.
    »Ich hab’ doch den Bus hergefahren«, versuchte Kastner abzulenken. Auf der anderen Seite des Wegs ratterte der Bauer Vitus Kofler mit seinem Traktor über das Feld.
    »Ja, und du warst doch auch mal zur Party da, Seppi!«
    Wieder sah Anne erst Pauline, dann Kastner an. Der tat jetzt aber so, als hätte er den letzten Satz nicht gehört.
    »Wollt ihr Kaffee?« Ohne eine Antwort abzuwarten, kam Pauline – sie trug nur ein

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