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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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»Nein«.
    Höllerer saß im Garten und kämmte seinem Hund das Fell, als die beiden Polizisten kamen, um ihn abzuholen. Mysteriöserweise reagierte der Ruheständler gelassen auf die Nachricht, dass er erst einmal festgenommen sei und zur Vernehmung mit auf die Wache müsse. Kurz informierte er seine Frau, welche ihm mit tiefer Angst im Blick hinterhersah, neben ihr der Hund, der alles wusste.
    Anne hatte damit gerechnet, dass Nonnenmacher die Fragen würde stellen wollen. Doch der Dienststellenleiter saß zwar mit am Vernehmungstisch, knubbelte aber nur an seinen Fingern herum. Die junge Polizistin begann mit dem Verhör.
    »Also, Herr Höllerer, sicherlich wundern Sie sich, weshalb wir Sie festgenommen haben.«
    Der Schneider in Rente nickte. »Ich hab’ mit der Sache nix zum tun. Der Kurt«, er wandte sich Nonnenmacher zu, der aber überhaupt nicht reagierte, sondern wie leblos wirkte, »kennt mich auch schon seit vielen Jahren. Kurt, das stimmt doch, oder?«
    Nonnenmacher grunzte und beschäftigte sich weiter mit seinen Fingern.
    »Folgendes«, ergriff jetzt Kastner das Wort, »Sie haben gesagt, Sie hätten die Leiche mit einem Birkenast ans Ufer gelenkt und dann an den Händen herausgezogen.«
    »Genauso war es«, erwiderte der alte Mann.
    »Und Sie haben gesagt, dass Sie die Leiche sonst nirgends angefasst haben«, fuhr Kastner fort.
    »Genau«, sagte Höllerer.
    Anne schüttelte den Kopf. »Kannten Sie das Mädchen eigentlich?«
    »Nie gesehen.« Hilflos versuchte Höllerer Blickkontakt mit Nonnenmacher herzustellen, aber der wirkte weiterhin wie weggetreten.
    Dann schwiegen alle eine Weile – bis der Rentner mit ehrlichem Interesse fragte: »Warum fragen Sie mich das alles?«
    »Weil ein genetischer Fingerabdruck von dir an der Scheide von dem jungen Ding gefunden worden ist, du Depp!«, platzte es mit plötzlicher Wucht aus Nonnenmacher hervor, und eine sanfte Böe abgestandenen Alkoholgeruchs wehte über den Tisch. Anne wurde auf einmal einiges klar. Nonnenmacher war verkatert, und zwar mindestens Windstärke acht. »Jetzt sag mir mal bitte, Veit, wie kann das sein? Was machen Hautpartikel von dir in der Scheide von einer einundzwanzigjähren Ostdeutschen, die obendrein noch eine Leiche ist, ha? Die könnt’ deine Tochter sein! Du hast dein Leben lang gearbeitet, du bist ein zuverlässiger Jäger, der noch nie Probleme hatte mit der Verlängerung des Jagdscheins, du kommst pünktlich zum Stammtisch, trinkst höchstens vier Halbe Bier, also praktisch nix«, hier hielt Nonnenmacher kurz inne und fasste sich an den Kopf, »und bist außerdem seit vielen Jahren verheiratet. Wie passt das zusammen?«
    Unwillkürlich zuckte der Höllerer zusammen. Die Sache mit dem Finger, von der nur sein treuer Hund und er wussten, hatte er doch glatt vergessen. Vielleicht auch verdrängt. Es war ein Ausrutscher gewesen, wenn man das so formulieren konnte. Mit dem Finger im Schamhaar von einem toten Mädchen, dazu noch von einem aus Sachsen, umherzukreiseln, das war ein Schmarren, den man besser bleiben ließ. Man sah ja, was dabei herauskam. Ein Verbrechen aber war es nicht. Was tun? Der Höllerer dachte nach.
    Dann sagte er: »Das ist eine Angelegenheit, die ist privat.«
    Hätte man es nicht mit einer Leiche zu tun gehabt, wäre Anne auf diesen Satz hin in lautes Lachen ausgebrochen. So aber meinte die Polizistin sarkastisch: »Das kann man wohl sagen, Herr Höllerer.« Sie machte eine Pause, in der sie ihn streng ansah. »Wir hätten da aber doch ganz gerne eine Erklärung von Ihnen, und zwar eine plausible. Ansonsten müssen wir Sie bis auf Weiteres in U-Haft behalten.«
    Wieder dachte der Höllerer nach. Er hatte den Hund nicht fertig gestriegelt, er wollte heute noch hinauf ins Jagdrevier, die Frau hatte einen Braten im Ofen, eine U-Haft passte da überhaupt nicht ins Konzept. Deshalb meinte er: »Kann ich mal kurz mit dir allein sprechen, Kurt?«
    »Sowieso«, erwiderte der Dienststellenleiter, es klang fast wie ein Rülpser.
    Anne hatte die Extrawürste, die Nonnenmacher stets machte, wenn er einen Delinquenten persönlich kannte, eigentlich dick. Aber sie hatte in ihrer Zeit als Polizistin hier am See gelernt, dass mit diesen Sonderbehandlungen bei Einheimischen manchmal ganz brauchbare Ergebnisse erzielt wurden. Und so war es auch in diesem Fall.
    Wie genau der Höllerer dem Nonnenmacher gestand, was sein Finger am Morgen nach dem großen Seefest für Kunststücke in der Scham einer feschen, leider aber toten

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