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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Beispiel.«
    »Könnte sein. Vielleicht sollte ich dem mal nachgehen …« Anne gähnte, auf einmal war sie müde geworden. »Na ja, jetzt weißt du, was mich zurzeit so bewegt … Es ist jetzt schon ganz schön spät. Lass uns ein andermal wieder telefonieren, Bernhard.« Sie gähnte noch einmal. »Es war wirklich schön, mal wieder mit dir zu sprechen.«
    »Warte«, stoppte Bernhard sie. »Ich muss dir auch noch was sagen.«
    Plötzlich klang er sehr aufgeregt. Und Anne fiel auf, dass sie die ganze Zeit nur über sie und ihre beruflichen Angelegenheiten gesprochen hatten. Fehlte ihr am Ende doch ein Gesprächspartner, mit dem sie sich auf Augenhöhe austauschen konnte? Darüber konnte sie ja beizeiten noch einmal nachdenken. Jedenfalls war Bernhard jetzt sehr nett gewesen. Vielleicht sollten sie sich mal wieder treffen, und dann konnte man ja sehen, ob die Beziehung womöglich doch noch eine Zukunft hatte …
    »Es ist …«, begann Bernhard, brach dann aber ab. »Ich bin, also … ich werde …«
    Anne war irritiert. Was druckste Bernhard, der eben noch so locker gewesen war, auf einmal derart komisch herum?
    »Also«, sagte er jetzt mit einem Mal entschlossen. »Ich möchte, dass du es als eine der Ersten erfährst.«
    »Du heiratest?«, fragte Anne schnell.
    »Nein«, antwortete Bernhard bestimmt.
    Anne war furchtbar erleichtert und kam sich deswegen völlig bescheuert vor.
    Doch dann sagte Bernhard etwas, das viel schlimmer war: »Ich werde Vater.«
    Der Satz traf Anne wie ein Faustschlag in die Magengrube. Wäre sie nicht auf dem Sofa gesessen, sie wäre nach hinten umgekippt.
    »Das ist nicht wahr.« Annes Erwiderung klang wie eine Feststellung. Aber warum sollte Bernhard sie in dieser Sache anlügen?
    »Und ich …«, begann Bernhard nun wieder zaghaft, beinahe jungenhaft, »freue mich.«
    Jetzt packte Anne die kalte Wut. Wie lange hatten sie gerade telefoniert und über unwichtiges Zeug wie ihre ganzen Jobangelegenheiten gesprochen? War es eine halbe Stunde gewesen – oder vielleicht sogar eine Stunde? Und jetzt, ganz am Ende des Gesprächs, als sie schon auflegen wollte, kam Bernhard mit so einer Nachricht! Konnte das sein?
    »Unverschämt!«, entfuhr es ihr unwillkürlich.
    Bernhard, der ihre Gedanken ja nicht hatte mitverfolgen können, fragte sofort und mit Ratlosigkeit in der Stimme: »Dass ich mich freue?«
    »Ach, nein«, sagte Anne. Sie spürte, dass eine Flut verzweifelter Tränen sich Bahn brechen wollte, und wusste, dass sie dieses Gespräch nicht mehr lange durchhalten würde. Deshalb sagte sie nur: »Danke für deine Offenheit, Bernhard. Ich wünsche dir viel Glück.« Und legte auf.

SECHS
    Als Sepp Kastner am nächsten Morgen in den Besprechungsraum kam, schnupperte er kurz, verzog das Gesicht und trabte dann mit großen Schritten zum Fenster, um es aufzureißen. Während dieser für ihn ungewöhnlich resoluten Aktion entfuhr ihm der Satz: »Ja, mein lieber Schwan, wie riecht’s denn hier!«
    Es war in der Tat eine interessante Geruchsmischung: Die sonst eher staubige Duftnote des Raums wurde ergänzt durch Kurt Nonnenmachers kraftvolle Bierfahne und durch eine feinere, von Barrique- und Beerentönen getragene Geruchsnote des aus Spanien stammenden Rotweins, den Anne am Vorabend nach dem Telefonat mit Bernhard in größerer Menge als üblich zu sich genommen hatte. Heute war nicht nur Nonnenmacher verkatert, sondern auch seine attraktivste Mitarbeiterin.
    Beide studierten mit aller zur Verfügung stehenden Konzentration die vor ihnen liegenden Papiere, was Kastner ein wenig verwunderte, weil es sich um unbeschriebene Blätter handelte.
    Vorsichtig fragte der Junggeselle: »Alles in Ordnung mit euch?«
    »Ja«, erwiderte Anne knapp, während Nonnenmacher lediglich grunzte. Erstaunlicherweise war der Magen des Dienststellenleiters, seit dieser noch mehr Bier als für gewöhnlich zu sich nahm (und auch tagsüber), verstummt. Dennoch hatte es Nonnenmacher bisher nicht in Erwägung gezogen, die Gesundheitsredaktion der Frauenzeitschrift, welcher seine Frau die Reisdiät zu verdanken hatte, über diese interessante medizinische Entwicklung zu informieren.
    Weil seine wichtigsten Partner aus der Ermittlungsgruppe ihm heute etwas angeschlagen erschienen und man in der alkoholgeschwängerten Luft und mit so einsilbigen Antworten unmöglich weiterkommen konnte, beschloss Kastner – ganz gegen seinen sonstigen Charakter –, die Initiative zu ergreifen, und sagte: »Ich habe heute Nacht etwas

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