Aufgedirndlt
hundertprozentig sicher. Was man von der Musikszene so hörte, wurde da mit noch weitaus gewaltigeren Halluzinogenen experimentiert.
»Scheiße« war der einzige Kommentar, der Anne einfiel, als die beiden Ermittler wieder im Streifenwagen saßen.
Doch der Tag hielt für die junge Polizistin noch eine weitere unangenehme Überraschung bereit. Allerdings wartete das Schicksal damit bis zum Abend.
Anne war es in der vergangenen Zeit, in der sie durch ihr Berufsleben so stark beansprucht worden war, relativ gut gelungen, ihre offensichtlich gescheiterte Beziehung mit Bernhard zu verdrängen. Doch an diesem Abend hatte Lisa, als Anne ihr beim Zu-Bett-Bringen noch den Rücken streichelte, nach Bernhard gefragt. Anne hatte die Situation souverän gemeistert und Lisa versichert, dass es Bernhard gut gehe und er sicher bald vorbeikommen werde.
Als sie jedoch später auf dem Sofa im Wohnzimmer saß, das sie mit Bernhard gemeinsam eingerichtet hatte, überkam sie ein mulmiges Gefühl. Ohne sich die möglichen Folgen dieses Schritts genauer zu überlegen, wählte sie Bernhards Telefonnummer. Er nahm den Anruf sofort entgegen.
»Hallo, Anne«, begrüßte er sie; er hatte ihre Rufnummer erkannt. Und er schien sich aufrichtig über ihren Anruf zu freuen. Sofort war Annes mulmiges Gefühl verschwunden. Gut, dass sie ihn angerufen hatte.
»Hallo, Bernhard. Wollte mich mal wieder bei dir melden. Bei mir war viel los in der letzten Zeit.«
»Ja?«, fragte Bernhard interessiert. »In der Arbeit oder privat?«
Anne erzählte ihm vom Harems-Casting, über das Bernhard aber auch bereits in der Zeitung gelesen hatte, und von dem Todesfall nach dem Seefest. Als sie von den erotischen Eskapaden des Bürgermeisters berichtete, lachte Bernhard aus derart tiefer Brust, wie sie es bei ihm schon lang nicht mehr gehört hatte. Allerdings verstand er auch, dass es als mittlere Katastrophe einzuordnen war, dass der Schlagersänger Hanni Hirlwimmer dem polizeilichen Zugriff entkommen war.
Ohne dass Anne es merkte, sprach sie mit ihrem Ex den ganzen Fall durch. Gemeinsam wogen sie die Wahrscheinlichkeiten ab, welcher der einzelnen Verdächtigen am ehesten in Madleen Simons Tod verwickelt sein konnte. Dem Bürgermeister, den Bernhard persönlich kannte, traute Annes Exfreund allerdings nicht zu, mit Liquid Ecstasy zu tun zu haben, dem Schlagersänger schon eher. Auch dass der Emir von Ada Bhai in den Todesfall involviert sein sollte, hielt Bernhard für ausgeschlossen. Das Argument, dass der Emir sich mit Geld und Charisma jede Frau gefügig machen konnte, überzeugte ihn. Ob dies auch für alle männlichen Mitglieder des mitgereisten Hofstaats gelten konnte, hielt Bernhard allerdings für fraglich. Die beiden Gymnasiasten verfügten zwar über das für die Herstellung von Liquid Ecstasy nötige Wissen, aber war es diesen zwei Milchbubis wirklich zuzutrauen, dass sie ein Mädchen, das älter und erfahrener war als sie, auf diese brutale Weise misshandelten?
»Es kann ja sein, dass die Situation einfach eskaliert ist«, meinte Anne. »Vielleicht wollten die erst einmal einfach nur ausprobieren, wie die Droge wirkt. Und dann war Madleen auf einmal tot.«
»Aber dann müssten die zwei das Mädchen ja auch noch vergewaltigt haben.«
»Eine Vergewaltigung ist nicht erwiesen«, korrigierte Anne ihren einstigen Geliebten. »Es könnte auch ein einvernehmlicher Beischlaf gewesen sein.«
»Dann wäre der Tod danach eingetreten.«
»Oder anders herum«, meinte Anne. »Die haben der das Mittel gegeben, sie ist gestorben, und dann hatte einer von ihnen mit ihr Sex.«
»Mit einer Toten? Das glaube ich nicht. Nicht diese zwei harmlosen Jungs. Wenn ich daran denke, wie ich war, als ich aufs Gymnasium ging …« Bernhard schwieg kurz. »Und sonst kommt niemand als Verdächtiger infrage?« Beide dachten nach. Dann ergriff Bernhard wieder das Wort: »Welche Motive kommen denn infrage? Bei Liquid Ecstasy liegt natürlich das Motiv, mit einer wehrlosen Person Sex zu haben, ganz weit vorn. Aber gibt es vielleicht auch noch andere Motive?«
»Wenn der Bürgermeister in die Sache verwickelt ist, dann könnte es auch etwas mit dem Verkauf von Gut Kaltenbrunn zu tun haben«, sagte Anne.
»Aber warum dann das Sperma in der Scheide? Das spricht ja nun mal total für ein sexuelles Motiv«, vermutete Bernhard. »Und was ist, wenn eine Konkurrentin vom Harems-Casting das Mädchen umgebracht hat?«
»Und das Ganze als Sexualverbrechen getarnt hat.«
»Zum
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