Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
war das Geld, das ich für unseren ersten gemeinsamen Urlaub gespart hatte.
    Aber Isabel und ich würden nie verreisen, solange sie eine Illegale war.
    Viel zu riskant.
     
    Wie der Typ es geschafft hatte, verriet er mir natürlich nicht.
    »Berufsgeheimnis«, meinte er nur und grinste.
    Dann erfuhr ich Name und Adresse.
    Dr.   Hajo Bruckner. Berlin. Internist. Praxis am Ludwigkirchplatz in Wilmersdorf.
    »Er hat den Namen seiner Frau angenommen«, erklärte mir der Privatdetektiv.
    Und seinen Vornamen Johannes ein bisschen umfrisiert.
    Das konnte ich mir selber denken.
     
    Ich ging mit undefinierbaren Bauchschmerzen zu ihm.
    Als ich drankam, hatte ich Herzrasen.
    Isabels Vater, das Schwein, das sie und Eugenia einfach aus seinem Leben geworfen hatte, indem er mit einer anderen Frau und einem neuen Namen eine Existenz aufbaute.
    Hajo Bruckner sah gut aus. Anfang bis Mitte 40, sportlich, braun gebrannt, ein nettes Lachen, coole Sprüche.
    Er tastete meinen Bauch ab, fragte nach der Schule,was ich mal werden wollte. Erzählte sogar von sich selbst. Wie er auf die Idee gekommen war, Medizin zu studieren.
    »Mein Vater war Verwaltungsbeamter, das kam mir so sinnlos vor.«
    »Sie wollten also anderen Menschen helfen   …«
    Er überlegte kurz, dann nickte er: »Ja, ich war ein Idealist.«
    Du bist ein Drecksack, dachte ich. Trotzdem war er mir irgendwie sympathisch. Obwohl ich wusste, was er getan hatte.
     
    Natürlich fand er nichts. Mir tat auch nichts mehr weh.
    Gestern hatte es wehgetan, erzählte ich. Sehr sogar. Hier und da.
    Ich deutete in die Ecke, wo ich den Blinddarm vermutete.
    »Soll ich dich krankschreiben?«
    Er duzte mich von Anfang an. Ich glaube, es hätte ihn nicht einmal gestört, wenn ich zu ihm auch ›Du‹ gesagt hätte. Er sah mich an wie einen guten Kumpel. Auch das Zwinkern und die Idee, mir ein paar freie Tage durch Krankschreibung zu verschaffen   … Klar, er dachte, ich wollte blaumachen.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wenn du morgen wieder Schmerzen hast, komm gleich vorbei.«
    Er drückte mir die Hand und lachte wieder.
    Isabels Lachen.
     
    »Ich habe ihn gefunden.«
    Nur diese vier Worte, aber Isabel verstand sofort.
    Zum zweiten Mal erlebte ich, wie sie vollkommen die Fassung verlor.
    Sie schrie, sie tobte, sie räumte vor Wut mit einem Wisch ein ganzes Regalbrett bei mir ab. Bücher fielen zu Boden, eine kleine Tonfigur zerbrach.
    Sie war eine andere. Das Gesicht verzerrt, die Augen sprühten Funken, sie brüllte mir ihre Vorwürfe ins Gesicht.
    Wie ich dazu käme, mich in ihr Leben einzumischen.
    Dass sie mich nicht darum gebeten habe, das Schwein zu suchen.
    Dass sie ihn nicht kennenlernen wolle.
    Selbst wenn er ihr helfen könnte.
    Denn er wollte nicht, dass sie zur Welt kam.
    Er hatte ihre Mutter im Stich gelassen und damit auch sie.
    Er sollte in ihrem Leben keine Rolle spielen. Niemals.
     
    Leider endete dieser Streit nicht so romantisch wie unser erster. Kein Kuss, keine Versöhnung. Sie nahm ihre Tasche, lief hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
     
    Ein echter Kerl hätte sich anders verhalten. Sich mit einer Flasche Bier vor den Fernseher gehockt. Oder wäre mit Freunden durch die Kneipen gezogen. Vergiss sie. Oder: Die kommt wieder. Oder: Weiber ticken anders.
    Ich war nie ein echter Kerl. Ich war der Verzeihmir-ich-habe-es-gut-gemeint-Typ. Ich ging zu ihr, um mich zu entschuldigen. Sie öffnete zunächst nicht. Ich wollte nicht laut klopfen und rufen, es war schließlich schon Nacht.
    Als sich Schritte vom Treppenhaus her näherten, versteckte ich mich im Kelleraufgang. Ich sah Kröger, wie er an Isabels Tür klopfte. Sie machte auch ihm nicht auf.
    »Ich weiß, dass du da bist.«
    Keine Antwort. Er klopfte heftiger. Horchte. Fluchte. Donnerte mit der Faust gegen die Tür.
    Irgendwann gab er auf. Brummte nur noch »Blöde Schlampe«, dann torkelte er weg in Richtung Treppe.
    Das war der Augenblick, in dem ich ihn gerne umgebracht hätte. Aber ich habe es nicht getan.
    Ich war wütend, enttäuscht und müde zugleich. Warum warten? Isabel wollte nicht mit mir reden. Als ich durch den Hof hinaus auf die Straße trat, kam mir Eugenia entgegen. Sie wirkte erschöpft von ihrer Arbeit, aber sie ließ sich von mir noch zu einem Kaffee an der Ecke überreden.
    »Isabel schläft bestimmt schon«, versuchte sie michzu trösten, als ich ihr erzählte, dass sie nicht aufgemacht hatte.
    »So wie Kröger an die Tür gedonnert hat   … das konnte sie nicht überhören!«,

Weitere Kostenlose Bücher