Aufgeflogen - Roman
sagte ich. Eugenia wirkte beunruhigt, fragte noch einmal nach, ob Kröger denn gesagt hatte, was er wollte. Ich verschwieg die Beschimpfung, die er von sich gegeben hatte, bevor er verschwunden war.
»Hauptsache, sie hat nicht aufgemacht«, sagte Eugenia leise.
»Wirklich ein ekliger Typ«, bestätigte ich, dann war das Thema für mich erledigt. Denn eigentlich wollte ich doch von meinem Coup erzählen: »Ich weiß, wo Lehnert ist.«
Sie erstarrte. Ihr Schweigen verunsicherte mich. Ich war so stolz auf mich gewesen. Immerhin hatte ich den Mann gefunden, wegen dem sie vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen war. »Willst du zu ihm?«, fragte ich Eugenia. »Ich habe die Adresse.«
»Ich muss erst verdauen«, sagte sie. Dann ging sie.
Frustriert fuhr ich nach Hause. Je mehr ich mich für Isabels Leben interessierte, je mehr ich mich einließ darauf, desto mehr entfernte sie sich von mir.
Ich hatte Angst, sie zu verlieren.
8. Kapitel
Die fragenden und besorgten Blicke der Eltern. Die skeptischen in der Schule. Sie alle sagen: Du weißt doch, wo sie ist, wo sie sich versteckt hält. Dir war doch klar, dass sie illegal hier ist. Auch die Polizei lässt nicht locker. Vielleicht schätzt er sich viel zu wichtig ein, aber er hat Angst, dass sie ihm folgen könnten, wenn er zu Eugenia und Isabel ins Waldhaus fährt.
Er hört Radio, einen lokalen Sender, aber sie bringen nicht mehr außer der kurzen Nachricht, dass ein Mann in Kreuzberg ermordet worden ist. Ebenso im Lokalfernsehen. Kein Hinweis auf zwei Frauen, die gesucht werden.
Er blättert Zeitungen durch, filzt die Lokalteile. Nur in einer wird der Mord an Kröger groß aufgemacht, es wird wild spekuliert, hier sind auch die beiden Frauen genannt, Isabel und Eugenia H. Ein Foto, auf dem sie verschwommen zu sehen sind. Niemand würde sie aufgrund dieses Fotos erkennen, wenn er ihnen auf der Straße begegnete, da ist Christoph sicher – und es erleichtert ihn.
Wer hat den Zeitungsleuten das Foto gegeben? Die Polizei vermutlich nicht, denn sie hätte in der Wohnung von Isabel und Eugenia bessere finden können. Isabel und Eugenia sitzen auf einer Bank, jede hat ein Getränk in der Hand, sie lächeln beide. Vielleicht ist das Foto bei einem Hausfest gemacht worden, dann hat einer von den Bewohnern es an die Zeitung gegeben. Aber wer macht so was? Kriegt man dafür Geld?
Er schickt Isabel eine SMS: Kann nicht kommen. Polizei. Alles klar bei euch?
Die Antwort sieht ähnlich aus. Sie schreibt, dass alles in Ordnung ist. Aber er weiß, dass sie lügt. Er schreibt ja auch nicht alles, was er weiß, hört, denkt. Er verbirgt seine Angst und Sorge, sie tut es auch.
Sein Vater verwickelt ihn in ein Gespräch über Recht und Gesetz. Über Ausländerpolitik. Über den großen Gesamtzusammenhang und die kleinen Schicksale. Und darüber, dass er sich strafbar macht, wenn er der Polizei etwas Wichtiges verschweigt.
Gerade noch wollte er ihn fragen, wie die Polizei vermutlich weiter vorgehen wird, doch nun weiß er, dass er besser den Mund hält, wenn er seinen Dad nicht noch misstrauischer machen möchte.
»Lass den Jungen«, mischt sich seine Mutter ein.
»Ich kann doch nicht zusehen, wie unser Sohn seineZukunft riskiert wegen falsch verstandener Solidarität!«
»Es spricht für ihn, dass er seiner Freundin helfen will.« Das sagt die Heilpraktikerin.
»Sie ist in einen Mordfall verwickelt.« Das sagt der Anwalt.
»Wenn ich die Polizei richtig verstanden habe, ist dieser Hausmeister die Treppe runtergefallen.« Moms Stimme wird spitz.
»Nachdem ihn jemand geschlagen und gestoßen hat.«
»Die kleine Isabel soll den großen Mann verprügelt haben?« Mom lacht ungläubig.
»Wenn die Tatwaffe eine Art Holzprügel ist, wie vermutet, dann kann das jeder, auch du.«
»Du glaubst doch selbst nicht, dass Isabel die Mörderin ist!« Wieder Mom.
»Dann wird sie auch nicht verurteilt werden.« Das ist Dad.
»So naiv kannst du als Jurist gar nicht sein! Und selbst wenn sie nicht verurteilt wird, abgeschoben wird sie auf alle Fälle.«
Christoph hört sich die Diskussion seiner Eltern an, als ob sie ihn gar nichts anginge. Dabei geht es doch nur um ihn. Irgendwann rauscht seine Mutter ab und lässt die Tür laut ins Schloss fallen.
Er möchte nicht mit seinem Vater allein im Zimmer sitzen. Er steht auf.
»Möchtest du nicht wenigstens mir sagen, wo sie sind?«, fragt sein Dad und verstellt ihm den Weg. Christoph streift ihn nur kurz mit
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