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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schaltete die Musik aus, alle blieben erstarrt auf ihrem Platz sitzen oder stehen. Es war totenstill.
    »Wenn hier nicht sofort Ruhe ist   …«, sagte er nur.
    Mit Krögers Auftauchen war die Party beendet. Alle hatten sie Angst vor ihm, vor seinen Wutanfällen, vor seinen Drohungen und Beschimpfungen.
    Isabel half noch schnell aufräumen, Horst zog mich aus der Wohnung, er selbst lebte gegenüber, auf derselben Etage.
    »Junge, nimm dich in Acht vor Kröger. Besser, du tauchst nicht zu oft hier auf«, flüsterte er mir ins Ohr, während ich die Luft anhielt.
     
    Die Warnung vor Kröger hörte ich von allen Seiten. Ich sah den Hausverwalter selten, und wenn wir uns mal im Hof oder im Flur über den Weg liefen, dann ignorierte er mich. Meist trug er Schlappen, bis weit in den Herbst hinein eine kurze Hose, ein Nylonhemd umspannte seinen Bauch, und da er stark schwitzte, war es nicht sehr angenehm, nahe an ihm vorbeizugehen. Fast immer hatte er einen Zigarillo im Mundwinkel und diese Mischung aus Schweiß und Tabak zog sich durchs Haus wie eine stille Drohung.
    Selten sah man ihn mit Werkzeug, erzählte mir Adamu. Meistens trug er nur sein Messer im Gürtel.
     
    Kröger wohnte mit seiner Frau im zweiten Stock. Laute Menschen, die deutlich machten, dass sie hier das Sagen hatten.
    »Der könnte auch ein Lager leiten«, sagte Tatjana.
    »Er ist der Hausmeister und Verwalter, aber alle anderen arbeiten, außer ihm«, erzählte Horst, als er mich das nächste Mal traf. »Mehmet macht das Elektrische im Haus, soweit man das noch reparieren kann, Adamu muss für Kröger Holz hochschleppen, Tatjana putzt die Treppe, dafür hat sie die Wohnung bekommen und nicht die zwei Dutzend anderer Bewerber. Ich gehe für ihn Bier kaufen, dabei kann ich meins ja kaum noch tragen.«
    Horst nahm einen kräftigen Schluck.
    »Bin ich froh, dass er Eugenia und Isabel verschont«, sagte ich.
    Natürlich bemerkte ich Horsts seltsamen Blick, aber ich schob es auf das Bier. Manchmal verschwammen seine blauen Augen einfach vor lauter Alkohol.
    »Junge, du gehörst hier nicht her«, brummte er wieder einmal und trank seine Flasche leer.
    Das war kurz bevor der Hausmeister starb.
     
    Isabel sprach nie über Kröger. Sie blendete ihn offenbar aus. Eugenia aber erzählte mir, dass er ihnen damals sehr geholfen hatte, als sie aus der alten Wohnung wegmussten, weil ein Nachbar gedroht hatte, die Polizei einzuschalten.
    »Er hat uns sofort die Wohnung im Erdgeschoss gegeben«, sagte sie.
    »Es ist eine Abstellkammer«, korrigierte ich.
    »Es ist besser als nichts.«
    Sie sah mir an, dass ich anders darüber dachte.
    »Wir konnten nicht auf der Straße bleiben, nicht eine Nacht, denn die erste Polizeistreife wäre auf uns aufmerksam geworden.«
    »Trotzdem: Dass er für diese Kammer auch noch Geld nimmt   …«
    »Wir haben schon schlechter gewohnt.«
    Das konnte ich mir kaum vorstellen.
     
    Tatjana schilderte mir einmal, was sie über Kröger und seine Funktion in dem Haus aufgeschnappt hatte.
    Ein Geschäftsmann aus Frankfurt hatte dieses Haus überraschend von einem alten Onkel geerbt. Er hatte überhaupt keine Lust, sich darum zu kümmern, geschweige denn zu renovieren oder zu sanieren. Kröger bot ihm damals an, die Verwaltung zu übernehmen. Und möglichst viel Geld aus der Bruchbude herauszuholen.
    Dafür ließ ihm der Besitzer freie Hand. Dass Kröger auch ein bisschen in die eigene Tasche wirtschaftete, konnte der Erbe sich denken, meinte Tatjana.
    »Aber er macht die Drecksarbeit für den Besitzer und wir machen die Drecksarbeit für ihn«, sagte sie und wischte weiter die Treppe.

12.   Kapitel
    Der Weg in die Stadt dauert ewig. Isabel ist eingenickt im Bus, und als sie jetzt die Augen aufschlägt, da ist es richtig hell, die Sonne scheint. Sie sieht, dass sie der Busfahrer über den Rückspiegel mustert. Sie steigt aus, nimmt den nächsten Bus. In ihrer Jackentasche findet sie eine Haarklammer und die Sonnenbrille. Sie steckt die Haare hoch, setzt ihre Brille auf. So, nun sieht sie anders aus als auf jedem Foto, das die Polizei von ihr in der Wohnung gefunden haben kann. Vielleicht hilft das ein bisschen, für den Fall, dass sie nach Eugenia und ihr fahnden. Isabel fühlt sich nicht wohl. Sie riecht etwas muffig, nach der Feuchtigkeit des Waldhauses, nach dem Schlafsack, nach der Nacht. Sie hätte sich gerne gewaschen. Aber wo und wie?
    Eigentlich ist dafür auch keine Zeit. Sie muss handeln. Sie will handeln. Ohne ihre Mutter, die sie

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