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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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versprach Tatjana. »Aber nur, wenn er mich heiratet.«
    Alle lachten und doch wussten wir, dass es nicht nur lustig gemeint war. Es ging ums Überleben, um die Legalität.
     
    Viele hielten sich bedeckt, rückten mit ihrer Geschichte nicht so schnell heraus. Wenig erfuhr ich zum Beispiel von der Familie aus dem Irak, die nur kurze Zeit im Haus blieb und dann weiterzog. Oder von dem Schicksal der Familie aus dem Kosovo, die während des Krieges gekommen war, sich in Deutschland wohlfühlte. Nun sollte ein Teil der Familie wieder nach Hause.
    »Wo ist ›nach Hause‹?«, sagte Isabel, nachdem sie mir einige Geschichten über die anderen Menschen in der Wrangelstraße erzählt hatte. »Ihre Häuser stehen nicht mehr, ihre Dörfer sind zerstört, ihre Verwandten tot oder in alle Winde verstreut, ihre Kinder gehen hier zur Schule wie ich   … ihr Zuhause ist hier, genau wie meines.«
     
    Bei dem Fest gab es dazu viele Meinungen.
    »Ich will hier zu Hause sein«, sagte Adamu.
    »Ich bleibe auf alle Fälle«, meinte Tatjana.
    »Ich bin Deutscher und Türke«, behauptete Mehmet.
    »Ich liebe meine Heimat, aber ich möchte nicht zurück«, sagte Eugenia, und in dem Moment spürte ich ihre Zerrissenheit.
    »Was vermisst du besonders?«
    »Meine Eltern, meine Geschwister   …«
    »Aber du telefonierst mit ihnen, du schickst ihnen Geld!«
    »Ich will sie umarmen, küssen, mit ihnen lachen und tanzen, mit ihnen weinen und alles erzählen, was uns bewegt.«
    Adamu nickte zu ihren Worten. Einen Moment schwiegen wir.
    »Deutschland ist manchmal kalt«, sagte sie leise. »Und die Menschen sind sehr ernst.«
    »Das bist du auch.«
    »Früher war das anders.«
     
    Eugenia verließ das Fest etwas früher, sie war müde. Isabel erzählte, warum ihre Mutter so bedrückt war. Eine Freundin von ihr war geschnappt worden, in der Nähe des Ostbahnhofs. Ein Mann hatte sie angepöbelt, weil sie ›so südländisch aussehe‹. Die Polizei war ihr eigentlich zu Hilfe geeilt, hatte sie vor dem Betrunkenenbeschützt, wollte dann aber doch einen Ausweis sehen. Sie hatte keinen.
    »Je mehr ich lese und höre, desto wütender werde ich«, sagte ich.
    Adamu nickte, das Gefühl kannte er offenbar. Aber Isabel blockte sofort ab.
    »Das ist mein Leben, ich habe kein anderes, ich bekomme kein anderes«, gab sie zurück. »Auch nicht, wenn wir andauernd jammern, wie schlimm es hier ist. Wir bleiben, weil es uns in Kolumbien noch schlechter gehen würde. Also müssen wir die Spielregeln akzeptieren.«
    Ich mochte diese Resignation nicht an ihr. Ich wollte kämpfen. Sie musterte mich mit einem spöttischen Lächeln.
    »Erzähl du mir nicht, wie kämpfen geht. Ich kämpfe in Deutschland ums Überleben, seit ich hier bin. Jetzt bin ich siebzehn Jahre alt und müde wie eine alte Schildkröte.«
    Esra kicherte über den Vergleich, dann machte sie eine Schildkröte nach. Die Ernsthaftigkeit verflog und wir waren wieder Gäste auf einem lustigen Fest.
     
    Irgendwann tauchte Horst auf. Mit einer Flasche Bier in der rechten Hand. Den linken Arm legte er gleich um mich. Schließlich war ich der einzige Gast, der die Lebensgeschichte des früheren Lkw-Fahrers noch nicht kannte. »Eine Flasche Bier zu viel. Erwischt. Führerscheinweg. Job weg. Kein Geld. Dann Wohnung weg, Frau weg. Jetzt bin ich hier.«
    Er meinte seine Bude in der Wrangelstraße.
    Unwillkürlich sah ich auf die Bierflasche, die Horst in der Hand hielt, sicher nicht sein erstes Bier an diesem Tag. Horst bemerkte den Blick und grinste.
    »Mein einziger Freund, alle anderen sind fort.«
    »Wir sind deine Freunde«, sagte Adamu, aber Horst reagierte nicht darauf. Er zog mich in eine Ecke, wo er glaubte, die anderen würden uns nicht zuhören.
    »Mensch, Junge, du gehörst doch gar nicht hierher«, hauchte er mir zu, und ich hielt die Luft an, weil ich seinen Atem kaum ertragen konnte.
    Ich wollte vehement widersprechen, aber er lachte nur.
    »Ja ja, ich weiß, die Liebe. Ich sag dir: Nimm sie mit, deine Liebe. Die Mutter vielleicht noch dazu. Aber alle anderen   …«
    Er machte eine abfällige Handbewegung.
    »Du kannst die Welt nicht retten. Nett, dass du es versuchst. Aber lass die Träume, werde endlich erwachsen.«
     
    Dann holte er Musik, wie er sie mochte, nötigte Mehmets Eltern, deutsche Schlager aufzulegen, und drehte die Anlage auf.
    »Ich hab die Liebe gesehen, beim ersten Blick in deine Augen   …«
     
    Kröger stand so plötzlich in der Tür, dass wir alle erschraken. Mehmet

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