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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht gefährden möchte. Ohne Christoph, dem sie nicht mehr vertraut.
     
    Sie weiß, wie es ist, wenn man sich auf niemanden verlassen kann. Im Laufe der Jahre hat Isabel ihre eigene Strategie entwickelt, in Deutschland zu überleben.Sie ist der unsichtbarste Mensch dieser Welt. Dachte sie jedenfalls. Sie hat als Kind leise gespielt, nichts kaputt geschlagen, keinen Krach gemacht, sie war wenig draußen, hatte selten Freunde, niemand durfte sie besuchen. Keiner hat sie damals auch nur angesehen, ein kleines, stilles Mädchen.
     
    Das wurde anders, als sie zwölf, dreizehn wurde. Sie verhielt sich immer noch unauffällig, aber die Blicke vieler Menschen veränderten sich, vor allem die der Männer, der Schulkameraden. Es reichte nicht mehr, einfach nur nichts zu sagen oder schüchtern wegzugehen. Sie musste nun dagegenhalten. Mal ein klares Wort, nicht zu hart. Ein Typ muss wissen: Bis hierher und nicht weiter. Aber sie darf ihn nicht kränken, nicht verletzen. Er könnte sich rächen. Genauer nachforschen. Ihrem Geheimnis auf die Spur kommen.
     
    Das ging lange gut. Bis einer ihre Notsituation gnadenlos ausnutzte. Vielleicht wäre alles anders gewesen, wenn es nicht noch ihre Mutter gegeben hätte. Sie hätte sich gewehrt, sie wäre geflohen, sie hätte jemanden um Hilfe gebeten. Aber sie wollte ihr Problem vor Eugenia verheimlichen. Sie wusste, dass Eugenia Angst um sie hatte, sich Sorgen machte. Sie ahnte aber auch, dass die Wahrheit über Kröger ihre Mutter in die Verzweiflung gestürzt hätte. Deshalb hatte sie ihr nichts gesagt. Im Laufe der Zeit war sie,das Kind, souveräner mit der ausweglosen Situation umgegangen als die Frau, die sie bislang beschützt hatte.
     
    Auch Christoph hatte sie nicht vertraut. Obwohl er immer sagte, er wolle sie lieben und beschützen. Stattdessen hatte er diesen Arzt angeschleppt. Der ihre Mutter unglücklich gemacht hat. Der sie damals zu einer Abtreibung zwingen wollte. Alles für die Karriere, die Sicherheit, ein Leben in der besseren Gesellschaft. Dazu passt diese frühe Liebe oder Affäre aus Kolumbien nicht. Und schon gar nicht das Kind.
    Sie zittert vor Wut und vor Enttäuschung. Nie hätte sie gedacht, dass Christoph ihr das antun würde. Warum sollte dieser Mann ihnen helfen? Er riskierte etwas, wenn er auf ihrer Seite stand.
    Isabel versucht, diese Gedanken zu verdrängen. Sie muss jetzt einen klaren Kopf behalten. Den Täter finden. Dann können sie irgendwo anders von vorne anfangen. Ein neues Leben ohne Christoph. Sie weiß, dass er sie liebt. Und sie liebt ihn auch. Aber er kann sie einfach nicht verstehen. Er ist eine Gefahr   – und seine Liebe macht das nur noch schlimmer. Dass es so weit gekommen ist, ist auch ihre Schuld. Sie hätte sich niemals auf ihn einlassen dürfen.
    Immer wieder sagt sie es sich vor: Wir haben eine Chance. Wir haben eine Chance. Wenn Krögers Mörder überführt ist.
     
    Sie muss Mehmet und Esra um Hilfe bitten. Im Bus überlegt Isabel, wie sie vorgehen soll. Mehmet ist in sie verliebt. Das ist ihr schon lange klar. Er wird ihr helfen, aber wird er es ganz uneigennützig tun? Esra ist ihre beste Freundin. Aber ein bisschen jünger als sie und noch ziemlich ahnungslos.
     
    Immer mehr Leute steigen zu, auf dem Weg in die Stadt. Isabel sieht sie genau an. Sie muss den einen Menschen schon vorher erahnen, der sie vielleicht erkennen könnte. Damit sie rechtzeitig aussteigen und verschwinden kann. Keiner beachtet sie zunächst. Alle sind mit sich selbst beschäftigt. Alle müssen zur Arbeit oder etwas besorgen. Isabel bleibt stehen, es könnte sein, dass sie schnell an einer Haltestelle rausmuss. Dann ist es besser, nicht zu sitzen, nicht jemanden bitten zu müssen, aufzustehen und sie herauszulassen.
    Da, einer mustert sie von oben bis unten. Lässt sie nicht aus den Augen. Als er näher kommt, steigt sie aus. An einem Kiosk kauft sie sich eine Zeitung, nimmt die nächste S-Bahn , blättert herum, doch sie findet nichts mehr über den Mord an Kröger. Schon vier Tage her   – oder sind es fünf? Sie hat die Zeit fast vergessen, draußen im Waldhaus. Und in der Stadt ist viel passiert. Berlin interessiert sich inzwischen für ganz andere Dinge.
     
    Es dauert ewig, bis sie Kreuzberg erreicht. Zumindest kommt es ihr so vor. Von unterwegs schickt sie SMS an Mehmet und Esra. Wer von beiden wird sich melden? Wer wird Zeit für sie haben?
    Esra schreibt zuerst. Sie kann nicht raus aus der Schule, sie hat eine Prüfung. Mehmet hat

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