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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sich eben gern über solche Dinge oder nicht. Und wenn in den hintersten Winkeln der eigenen Seele Gespenster lauerten, häßliche Skelette, die man niemandem zu zeigen wagte, nicht einmal Peter – Nun, natürlich nicht Peter; ihm zuallerletzt. Und jedenfalls hatte er keine Nische in den grauen Mauern Oxfords. Er war in London zu Hause, in der schnellen, ratternden, schwatzenden, erregten und teuflisch erregenden Welt von Spannung und Aufruhr. Hier, in der stillen Mitte (doch, diese Zeile war wirklich gut) war für ihn kein Platz. Eine ganze Woche lang hatte sie kaum einen Gedanken an ihn gehabt.
    Und dann trafen nach und nach die Professorinnen ein, voller Ferienerlebnisse und bereit, die Bürde des anstrengendsten, aber auch schönsten Trimesters im ganzen akademischen Jahr auf sich zu nehmen. Harriet sah sie ankommen und fragte sich immerzu, welches von diesen heiteren und entschlossenen Gesichtern wohl ein Geheimnis barg. Miss de Vine hatte in der Bibliothek irgendeiner alten flämischen Stadt herumgestöbert, die eine bemerkenswerte Familienkorrespondenz besaß, in der es um Handelsbeziehungen zwischen England und Flandern unter Elizabeth I. ging. Ihr Kopf war voller Statistiken über Wolle und Pfeffer und ließ sich nur schwer bewegen, sich an den letzten Tag des vorigen Trimesters zu erinnern. Sie wußte, daß sie irgendwelche alten Papiere verbrannt hatte – es konnten auch Zeitungen dabeigewesen sein – aber mit Sicherheit hatte sie nie die Daily Trumpet gelesen – sie konnte für die zerschnippelten Zeitungen, die in ihrem Kamin gefunden worden waren, keine Erklärung geben.
    Miss Lydgate hatte es – wie Harriet gefürchtet hatte – in wenigen Wochen tatsächlich geschafft, unter ihren Korrekturbögen eine wahre Verheerung anzurichten. Sie entschuldigte sich sehr dafür. Sie hatte ein hochinteressantes langes Wochenende mit irgendeinem Professor Soundso verbracht, der eine große Autorität auf dem Gebiet alter griechischer quantitativer Metrik war; und er hatte nun einige Passagen entdeckt, die Ungenauigkeiten enthielten und ein völlig neues Licht auf die Argumentation in Kapitel sieben warfen. Harriet stöhnte auf.
    Miss Shaw hatte fünf von ihren Studentinnen zu einem Rezitationsabend mitgenommen, vier neue Theaterstücke gesehen und sich ein ziemlich aufregendes Sommerkleid gekauft. Miss Pyke hatte eine berauschende Zeit damit verlebt, dem Kurator eines Provinzmuseums zu helfen, die Scherben dreier figurengeschmückter Vasen und etlicher Begräbnisurnen wieder zusammenzusetzen, die man auf einem Acker in Essex gefunden hatte. Miss Hillyard war aufrichtig froh, wieder in Oxford zu sein; sie hatte einen Monat bei ihrer Schwester wohnen müssen, die in dieser Zeit ein Kind bekam; daß sie sich um ihren Schwager hatte kümmern müssen, schien ihr gründlich die Laune verdorben zu haben. Die Dekanin dagegen hatte geholfen, eine Nichte unter die Haube zu bringen, und hatte das Ganze sehr lustig gefunden.
    «Eine der Brautjungfern war zur falschen Kirche gefahren und kam erst, als alles schon vorbei war, und es waren mindestens zweihundert Leute in einem Raum zusammengedrängt, der höchstens fünfzig faßte, und ich habe nur ein halbes Glas Champagner und überhaupt nichts vom Hochzeitskuchen abbekommen, und dabei hatte ich ein regelrechtes Loch im Bauch, wo der Magen hingehörte; und der Bräutigam vermißte im letzten Moment seinen Hut, und stellen Sie sich vor ! – die Leute verschenken immer noch versilberte Gebäckschalen!» Miss Chilperic war mit ihrem Verlobten und dessen Schwester an einige interessante Orte gefahren, um die mittelalterliche Bildhauerkunst des Landes zu studieren.
    Miss Burrows hatte fast den ganzen Urlaub Golf gespielt. Es erschien auch Verstärkung in Gestalt einer Miss Edwards, Tutorin für die Naturwissenschaften, die sich für das vorige Trimester hatte beurlauben lassen. Sie war jung und energisch, hatte ein kantiges Gesicht und kantige Schultern, einen Bubikopf und ansonsten eine betont nüchterne Art. Als einzige fehlte nun noch Mrs. Goodwin, deren kleiner Sohn (wahrhaftig ein Pechvogel) gleich, nachdem er wieder in die Schule ging, die Masern bekommen hatte und erneut der mütterlichen Pflege bedurfte.
    «Natürlich kann sie nichts dafür», sagte die Dekanin, «aber es ist schon sehr ärgerlich, gerade zum Trimesterbeginn. Wenn ich das doch nur gewußt hätte, wäre ich früher zurückgekommen.»
    «Ich weiß nicht, was Sie anderes erwarten», bemerkte Miss Hillyard

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