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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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man bedenkt, daß wir unser Leben ganz der –»
    «Auch für einen Mann ist es nicht immer leicht, zu sagen –»
    Die Gleichzeitigkeit machte ihre gute Absicht zunichte. Beide unterbrachen sich und baten jeweils die andere um Entschuldigung, und Miss Barton fuhr also ungehindert fort:
    «Es ist nicht unbedingt klug – oder überzeugend –, soviel Feindseligkeit gegenüber verheirateten Frauen zu zeigen. Dasselbe unbegründete Vorurteil hat Sie dafür sorgen lassen, daß dieses Hausmädchen von Ihrem Flur fortkam –»
    «Ich bin», sagte Miss Hillyard leicht errötend, «entschieden gegen diese Vorzugsbehandlung. Ich sehe nicht ein, daß wir uns mit nachlässiger Pflichtauffassung abfinden sollen, nur weil ein Hausmädchen oder eine Sekretärin zufällig eine Witwe mit Kindern ist. Ich sehe nicht ein, wieso Annie im Hausmädchenflügel ein Zimmer für sich und die Aufsicht über einen Flur haben soll, wenn andere, die hier schon länger arbeiten als sie, sich ihr Zimmer mit einer anderen teilen müssen. Ich –»
    «Also», warf Miss Stevens ein, «ich finde schon, sie hat ein Anrecht auf ein wenig Rücksichtnahme. Eine Frau, die es gewöhnt ist, ein hübsches Heim für sich zu haben –»
    «Kann sein», gab Miss Hillyard zurück. «An meinem Mangel an Rücksichtnahme hat es jedenfalls nicht gelegen, daß ihre lieben Kinderchen in die Obhut eines gemeinen Diebs gegeben wurden.»
    «Dagegen war ich auch immer», sagte die Dekanin.
    «Und warum haben Sie nachgegeben? Weil die arme Mrs. Jukes so eine nette Frau ist und eine Familie zu ernähren hat. Sie bedurfte der Rücksichtnahme und mußte dafür belohnt werden, daß sie so dumm gewesen war, einen Lumpen zu heiraten. Was nützt es, wenn Sie so tun, als ob das Interesse des College immer an erster Stelle käme, dann aber ganze zwei Trimester lang zögern, einen unehrlichen Pförtner zu entlassen, nur weil seine Familie Ihnen so leid tut?»
    «Da muß ich Ihnen völlig recht geben», sagte Miss Allison.
    «Das College muß in so einem Fall vorgehen.»
    «Es sollte immer vorgehen. Mrs. Goodwin müßte das auch einsehen und ihren Posten räumen, wenn sie ihre Aufgabe nicht erfüllen kann, wie es sich gehört.» Sie stand auf. «Aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, daß sie weg ist und wegbleibt. Sie erinnern sich vielleicht noch, daß wir keine anonymen Briefe und dummen Streiche hatten, als sie das letzte Mal nicht hier war.»
    Miss Hillyard stellte ihre Kaffeetasse hin und stolzierte hinaus. Alle machten betretene Gesichter.
    «Ach du meine Güte!» sagte die Dekanin.
    «Das riecht nach Unrat», stellte Miss Edwards unverblümt fest.
    «Sie ist so voreingenommen», sagte Miss Lydgate. «Ich finde es schon immer jammerschade, daß sie nie geheiratet hat.»
    Miss Lydgate hatte die Gabe, Dinge, die andere nicht oder anders sagen würden, so auszudrücken, daß jedes Kind sie verstand.
    «Ich muß sagen, mir täte der Mann leid», bemerkte Miss Shaw.
    «Aber vielleicht habe ich da zu großes Mitgefühl mit dem Männergeschlecht. Man traut sich ja kaum noch den Mund aufzumachen.»
    «Die arme Mrs. Goodwin!» rief die Quästorin. «Ausgerechnet sie!»
    Sie stand wütend auf und ging hinaus. Miss Chilperic, die nichts gesagt, aber die ganze Zeit sehr erschrocken dreingeschaut hatte, meinte jetzt, sie müsse an die Arbeit gehen. Der Raum leerte sich allmählich, und zurück blieben Harriet und die Dekanin.
    «Miss Lydgate hat eine geradezu erschreckende Art, immer den Nagel auf den Kopf zu treffen», sagte Miss Martin. «Denn es ist offensichtlich viel wahrscheinlicher, daß –»
    «Sehr viel wahrscheinlicher», sagte Harriet.
     
    Mr. Jenkyn war ein jüngerer und sympathischer Professor, den Harriet im vorigen Trimester auf einer Party im Norden Oxfords kennengelernt hatte – genauer gesagt, auf eben der Party, die dann zu ihrer Bekanntschaft mit Mr. Pomfret geführt hatte. Er wohnte im Magdalen College und war zufällig einer der Proproktoren. Harriet hatte ganz beiläufig etwas zu ihm über die Maifeier im Magdalen College gesagt, und er hatte ihr versprochen, ihr eine Karte für den Turm zu schicken. Als Wissenschaftler und Mann von großer Gewissenhaftigkeit hatte er dieses Versprechen nicht vergessen, und so traf die Karte pünktlich ein.
    Von den Dozentinnen des Shrewsbury ging sonst keine hin. Die meisten hatten schon früheren Maifeiern beigewohnt. Miss de Vine war noch nie dabeigewesen und hatte auch Karten angeboten bekommen, fürchtete aber, ihr

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