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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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belletristischen Abteilung der Bibliothek einen völlig harmlosen modernen Roman offen liegen lassen, und als sie nachmittags vom Rudern zurückgekommen sei, um ihn sich zu holen, seien mehrere Seiten aus dem Buch herausgerissen gewesen, gerade an der Stelle, wo sie gelesen hatte – herausgerissen und im Zimmer verstreut. Die Studentin, eine Stipendiatin vom Lande und arm wie eine Kirchenmaus, zerfloß fast in Tränen; es sei wirklich nicht ihre Schuld; ob sie das Buch nun ersetzen müsse? Die Dekanin, der diese Frage gestellt wurde, sagte nein; es sei ja offensichtlich nicht Schuld der Studentin. Sie notierte den Vorfall: « The Search von C. P. Snow, Seiten 327 bis 340 herausgerissen und vernichtet, 13. Mai», und gab diese Information an Harriet weiter, die sie in ihr Protokoll aufnahm, wo auch schon andere Dinge drinstanden wie: «7. März: Schmähbrief per Post an Miss de Vine» – «11. März: dito an Miss Hillyard und Miss Layton» – «29. April: Harpyienzeichnung an Miss Flaxman.» Davon besaß sie jetzt schon eine umfangreiche Liste.
    So hatte das Sommertrimester begonnen, sonnig und schön. Auf windgespornten Füßen wehte der April davon und räumte das Feld einem herrlichen Mai. Im Dozentengarten wiegten sich die Tulpen; an den hundertjährigen Buchen erschien ein goldgrüner Schimmer und verdunkelte sich; zwischen knospenden Ufern schoben sich Boote auf den Cherwell hinaus, und auf den weiten Wassern der Isis wimmelte es von trainierenden Achtern. Schwarze Talare und bunte Sommerkleider flatterten die Straßen der Stadt hinauf und hinunter und durch die Collegetore und bildeten vor dem Grün des weichen Rasens und dem Silbergrau der alten Mauern eine heraldische Farbskala; Autos und Fahrräder rasten halsbrecherisch nebeneinander her durch enge Kurven, und das Gejaule der Grammophone machte den Aufenthalt auf den Wasserwegen von der Magdalen Bridge bis weit über die neue Umgehungsstraße hinaus zur Qual. Sonnenanbeterinnen und liederliche Teekränzchen entweihten den Alten Hof des Shrewsbury, frischgeweißte Tennisschuhe sprossen wie fremdartige, kränkliche Blüten auf Steinplatten und Fensterbänken, und die Dekanin sah sich veranlaßt, einen Ukas wegen der Badeanzüge loszulassen, die fahnengleich von allen markanten Stellen wehten. Besorgte Tutorinnen gluckten liebevoll über den heranreifenden Eiern der Gelehrsamkeit, aus denen nun nach dreijähriger Brutzeit im Abschlußexamen die feuchten Küken schlüpfen sollten; Kandidatinnen, die mit Schrecken feststellten, daß sie nicht einmal mehr acht Wochen hatten, um Versäumtes nachzuholen, flitzten zwischen Bodleiana und Hörsaal, Camera und Repetitorin hin und her; und die gelegentlichen Schmähungen der Giftspritze wurden im Strom der herzhaften Beschimpfungen, die sich gewöhnlich von den Lippen der Prüflinge über die Prüfer ergossen, mitgespült und so gut wie vergessen. Aber auch die heitere Note fehlte nicht im Delirium des einsetzenden Examensfiebers. Als im Dozentenzimmer die Lose für das Examenstoto gezogen wurden, sah Harriet sich plötzlich im Besitz zweier «Pferde», von denen eines, eine gewisse Miss Newland, als Favoritin angesehen wurde. Harriet erkundigte sich, wer das Mädchen sei, da sie ihres Wissens noch nie etwas von ihr gesehen oder gehört hatte.
    «Nein, die kennen Sie auch sicher nicht», sagte die Dekanin.
    «Sie ist ausgesprochen schüchtern. Aber Miss Shaw hält sie für eine ziemlich sichere Einserkandidatin.»
    «Sie sieht in diesem Trimester aber gar nicht gut aus», erklärte die Quästorin. «Hoffentlich bricht sie uns nicht noch zusammen. Ich habe ihr erst neulich wieder gesagt, sie soll nicht so oft das Essen schwänzen.»
    «Das tun die doch immer», sagte die Dekanin. «Es sagt sich ja so schön, man soll ihnen nicht zumuten, sich noch groß umzuziehen, wenn sie vom Fluß kommen und lieber gleich den Pyjama anziehen und sich in ihrem Zimmer ein Ei kochen wollen; aber ich finde, daß gekochte Eier und Ölsardinen keine Grundlage sind, um die Prüfungen durchzustehen.»
    «Und was sie den Hausmädchen damit für eine Arbeit machen!» grollte die Quästorin. «Es ist nahezu unmöglich, bis elf Uhr die Zimmer in Ordnung zu haben, wenn überall schmutziges Geschirr herumsteht.»
    «Bei der Newland sind es nicht die Nachmittage auf dem Fluß», sagte die Dekanin. «Das Mädchen arbeitet.»
    «Um so schlimmer», erklärte die Quästorin. «Ich mißtraue jeder Kandidatin, die im letzten Trimester büffelt. Es

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