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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sagte Mr. Pomfret. «Haben Sie etwa den Sonnenaufgang begrüßt?»
    «Ja. Es war kein sehr schöner Sonnenaufgang, aber eine schöne Begrüßung.»
    « Ich glaube sogar, daß es regnen wird», verkündete Mr. Pomfret. «Aber ich habe gesagt, daß ich baden gehe, und ich gehe baden.»
    «Bei mir ist es ähnlich», antwortete Harriet. «Ich habe gesagt, daß ich rudern gehe, und ich gehe rudern.»
    «Sind wir nicht zwei wahre Helden?» meinte Mr. Pomfret. Er begleitete sie bis zur Magdalen Bridge, wo ein Freund in einem Kanu ihn gereizt begrüßte und sagte, er warte schon seit einer halben Stunde auf ihn; dann fuhr er maulend, daß niemand ihn liebe und es bestimmt regnen werde, flußaufwärts.
    Harriet ging zu Miss Edwards, die zu der Geschichte mit dem Mädchen meinte:
    «Na ja, vielleicht hätten Sie sich ihren Namen sagen lassen sollen. Aber ich wüßte auch nicht, was man da machen könnte. Es war wohl keine von den unsern?»
    «Ich kannte sie nicht. Und sie schien mich auch nicht zu kennen.»
    «Dann war sie wahrscheinlich nicht von uns. Trotzdem schade, daß Sie ihren Namen nicht haben. Die Leute sollten so etwas nicht tun. Es ist rücksichtslos. Wollen Sie vorn oder hinten sitzen?»

12. Kapitel
    Wie die Tulipane (die unsere Botaniker Narcissus nennen) zur Sonne, wenn sie scheint, ein admirandus flos ad radios solis se pandens, eine herrliche, sich ausbreitende Blume ist, jedoch wenn die Sonne sinkt oder ein Unwetter kommt, sichversteckt, dahinwelkt und keine Freude mehr hat … so sind alle Verliebten zu ihrer Gebieterin.
    ROBERT BURTON
     
    Der Geist wirkt sehr nachhaltig auf den Körper, ruft durch seine Leidenschaften und Unruhen wundersame Veränderungen hervor, wie Melancholie, Verzweiflung, grausame Krankheiten, sogar Tod … Die in Angst leben, sind niemals frei, entschlossen, sicher, niemals fröhlich, sondern in ständiger Pein … Oftmals verursacht es plötzlichen Irrsinn.
     
    Miss Edwards Ankunft und die Neuverteilung der Wohnräume auf Grund der Fertigstellung des Bibliotheksgebäudes stärkten die Stellung des Lehrkörpers zu Beginn des Sommertrimesters. Miss Barton, Miss Burrows und Miss de Vine zogen in die drei neuen Wohnungen im Erdgeschoß der Bibliothek; Miss Chilperic wurde in den Neuen Hof verlegt, und eine allgemeine Umverteilung fand statt, so daß im Tudor und im Burleigh überhaupt keine Dozentinnen mehr wohnten. Miss Martin, Harriet, Miss Edwards und Miss Lydgate richteten einen Streifendienst ein, wodurch der Neue Hof, der Queen-Elizabeth-Bau und der Bibliotheksflügel nachts in unregelmäßigen Abständen aufgesucht und verdächtige Bewegungen überwacht werden konnten.
    Dank dieser Regelung wurde den schlimmsten Ausschreitungen des Poltergeists ein Riegel vorgeschoben. Es kamen allerdings noch einige anonyme Briefe per Post, die allerlei skurrile Anspielungen und Rachedrohungen gegen verschiedene Personen enthielten. Harriet registrierte sie alle, soweit sie davon hörte oder sie in die Finger bekam – wobei sie feststellte, daß mittlerweile alle Mitglieder des Kollegiums mit Ausnahme von Mrs. Goodwin und Miss Chilperic bedacht worden waren; zusätzlich bekamen jetzt auch Studentinnen des dritten Jahrgangs, die im Examen standen, finstere Prognosen über ihre Zukunft, und Miss Flaxman erhielt eine schlecht gemalte Zeichnung, auf der eine Harpyie einem Herrn mit akademischem Barett das Fleisch vom Körper fraß.
    Harriet hatte Miss Pyke und Miss Burrows zunächst schon aus dem Kreis der Verdächtigen streichen wollen, nur weil beide recht gut mit dem Zeichenstift umgehen konnten und gar nicht in der Lage gewesen wären, solch schlechte Zeichnungen zu produzieren, nicht einmal absichtlich; dann aber stellte sie fest, daß beide zwar geschickt, aber nicht beidhändig geschickt waren und ihre linkshändigen Versuche es an Ungelenkheit mit den Machwerken der Giftspritze zumindest aufnehmen konnten. Als Miss Pyke das Harpyienbild gezeigt wurde, wies sie darauf hin, daß es in mehrfacher Hinsicht nicht der klassischen Vorstellung von diesem Ungeheuer entsprach; aber auch hier wäre es der Expertin ja ein Leichtes gewesen, Unwissenheit vorzutäuschen; und vielleicht sprach sogar der Eifer, mit dem sie auf diese Nachlässigkeiten aufmerksam machte, ebensosehr gegen wie für sie.
    Noch ein unbedeutendes, aber sonderbares Vorkommnis ereignete sich am dritten Montag des Trimesters. Eine Studentin aus dem ersten Jahr beklagte sich erregt und zerknirscht, sie habe in der

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