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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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weibliche Äquivalent zu «mädeln»? Ob Mr. Jenkyn wohl diesen Witz morgen im Kollegenkreis brachte? Sie würde ihm deswegen nicht gram sein; schließlich war sie alt genug, um zu wissen, daß auch der verheerendste gesellschaftliche Fauxpas nur ein Kiesel war, der im Ozean der Zeit lediglich ein paar kleine Kringel erzeugte, die sich rasch wieder glätteten. Für Mr. Pomfret allerdings mußten diese Kringel die Dimension eines Mahlstroms annehmen. Verdrießlich murrte er etwas von «aller Welt zum Gespött» vor sich hin.
    «Bitte», sagte Harriet, «machen Sie sich keine Gedanken. Die Sache ist völlig belanglos. Mich stört das überhaupt nicht.»
    «Klar», sagte Mr. Pomfret. «Sie können mich natürlich auch nicht ernst nehmen. Sie behandeln mich wie ein Kind.»
    «Das tue ich nun wirklich nicht. Ich bin sehr dankbar – ich fühle mich sehr geehrt durch das, was Sie mir gesagt haben. Aber wirklich und wahrhaftig, es ist unmöglich.»
    «Na gut, ist ja auch egal», sagte Mr. Pomfret verstimmt.
    Es ist aber auch zu arg, dachte Harriet. War es nicht schon bitter genug, daß seine jungen Gefühle mit Füßen getreten wurden? Aber dann auch noch zum Gegenstand öffentlichen Gelächters zu werden, war unerträglich. Sie mußte etwas tun, um dem jungen Mann seine Selbstachtung wiederzugeben.
    «Hören Sie, Mr. Pomfret, ich glaube nicht, daß ich überhaupt je heiraten werde. Bitte glauben Sie mir, daß ich nichts gegen Sie persönlich habe. Wir waren gute Freunde. Könnten wir nicht –?»
    Mr. Pomfret quittierte diese abgedroschene Beruhigungspille mit einem verächtlichen Schnauben.
    «Ich nehme an», sagte er wütend, «daß es einen anderen gibt.»
    «Ich weiß nicht, ob Sie ein Recht haben, das zu fragen.»
    «Natürlich nicht», versetzte Mr. Pomfret beleidigt. «Ich habe überhaupt kein Recht, Sie irgendwas zu fragen. Ich müßte mich dafür entschuldigen, daß ich Sie gebeten habe, meine Frau zu werden. Und daß ich eine solche Szene vor dem Proktor heraufbeschworen habe – überhaupt dafür, daß ich da bin. Es tut mir außerordentlich leid.»
    Es war eindeutig klar, daß der einzige Balsam für Mr. Pomfrets verletzte Eitelkeit jetzt das Eingeständnis gewesen wäre, daß es einen andern gab. Aber Harriet war zu so einem Eingeständnis nicht bereit; und ob es einen andern gab oder nicht, die Vorstellung, Mr. Pomfret zu heiraten, konnte so oder so nur lächerlich sein. Sie bat ihn, die Sache doch vernünftig zu sehen, aber er schmollte weiter; es gab ja auch eigentlich nichts zu sagen, was die völlige Absurdität der Situation hätte mildern können. Wenn jemand einer Dame seinen ritterlichen Schutz gegen die ganze Welt anbietet und sich dann statt dessen gezwungen sieht, ihren höheren Rang als Schutz gegen den gerechten Zorn des Proktors anzunehmen, dann ist – und bleibt – das eine Posse.
    Sie hatten den gleichen Weg. Verstimmt und schweigend gingen sie durch die Straßen, vorbei an der häßlichen Außenfront des Balliol College, dem hohen Gittertor des Trinity College, dem vierzehnfachen Feixen der Cäsaren und dem massiven Bogen des Clarendon-Gebäudes, bis sie an der Einmündung der Catte Street in die Holywell Street standen.
    «Also», sagte Mr. Pomfret, «wenn Sie nichts dagegen haben, verabschiede ich mich hier. Es ist kurz vor zwölf.»
    «Aber ja. Machen Sie sich nur keine Sorgen um mich. Gute Nacht … und nochmals vielen Dank.»
    «Gute Nacht.»
    Mr. Pomfret eilte in Richtung Queen’s College davon, verfolgt von einem kläffenden Chor von Uhrschlägen.
    Harriet ging weiter die Holywell Street hinunter. Sie konnte jetzt lachen, wenn sie wollte; und sie lachte. Sie fürchtete nicht, daß Mr. Pomfrets Seele einen bleibenden Schaden davongetragen haben könnte; er war viel zu beleidigt, um unter mehr als verletzter Eitelkeit leiden zu können. Der ganze Vorfall hatte etwas derart Lächerliches, daß weder Mitleid noch Nächstenliebe dies mildern konnte. Leider konnte sie mit Anstand niemanden daran teilhaben lassen; sie konnte sich nur still für sich darüber amüsieren. Was Mr. Jenkyn von ihr denken mochte, wagte sie sich kaum auszumalen. Hielt er sie für eine völlig skrupellose Kinderverführerin? Für eine Nymphomanin? Oder für eine enttäuschte Frau, die jede sich bietende Gelegenheit begierig an den Rockschößen packte, bevor sie ihr davoneilte? Oder was? Je länger sie über ihre eigene Rolle in dem Spiel nachdachte, desto komischer erschien sie ihr. Sie fragte sich,

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