Aufruhr in Oxford
Badeanzüge, und dauernd stößt man mit andern zusammen.»
«Macht nichts. Mischen wir uns ein bißchen unters fröhliche Volk. Oder möchten Sie lieber in meinen Wagen steigen und mit mir bis ans Ende der Welt fahren? Aber auf den Straßen wird es noch schlimmer sein als auf dem Wasser. Und wenn wir irgendwo ein stilles Plätzchen finden, werde ich Ihnen entweder furchtbar auf die Nerven gehen, oder wir knöpfen uns dieses vermaledeite Problem einmal vor. Öffentlichkeit bietet Sicherheit.»
«Also gut, Peter. Wir tun, was Sie möchten.»
«Dann sagen wir drei Uhr an der Magdalen-Brücke. Vertrauen Sie mir, ich drücke mich nicht um Ihr Problem. Wenn wir zusammen nicht damit weiterkommen, suchen wir uns jemanden, der es besser kann. Kein Meer ist unbefahrbar, kein Land unbewohnbar.»
Er stand auf und wollte ihr die Hand geben.
«Peter! Sie sind mir vielleicht ein Fels! Der Schatten eines großen Felsens in einem öden Land. Meine Güte, was denken Sie sich nur? Man gibt sich doch in Oxford nicht die Hand!»
«Der Elefant vergißt nie etwas.» Er küßte ihr behutsam die Fingerspitzen. «Ich habe meine formvollendete großstädtische Höflichkeit mitgebracht. Mein Gott! Von wegen Höflichkeit – ich komme zu spät zum Essen.»
Er schnappte sich Barett und Talar und war schon fort, ehe es ihr auch nur einfiel, ihn bis zur Pforte zu begleiten.
«Ist auch ganz gut so», dachte sie, als sie ihn über den Hof rennen sah wie ein Student. «Seine Zeit ist so schon knapp genug. Menschenskind, jetzt hat er doch glatt meinen Talar statt seinem genommen! Na ja, macht nichts. Wir sind ungefähr gleich groß, und meiner ist ziemlich weit in der Schulter, also läuft es aufs selbe hinaus.»
Und dann fand sie es plötzlich eigenartig, daß es aufs selbe hinauslief.
Harriet lächelte vor sich hin, als sie sich für die Kahnpartie umziehen ging. Wenn Peter Wert darauf legte, verfallene Traditionen aufrechtzuerhalten, würde er bei der Kahnfahrt Gelegenheit genug dazu haben, indem er sich strikt an Vorkriegsgepflogenheiten in puncto Können, Benehmen und Kleidung hielt. Vor allem Kleidung. Fleckige kurze Hosen oder ein verblaßter, nachlässig um die Hüften geschlungener Trainingsanzug bildeten die moderne Version der Männermode auf dem Cherwell; bei Frauen waren es Badeanzüge und (für empfindliche Füße) grellbunte Strandsandalen. Harriet schüttelte den Kopf zur Sonne, die jetzt ebenso heiß wie hell strahlte. Nicht einmal um Peter zu schockieren, würde sie der Welt einen braungebrannten Rücken und mückenzerstochene Beine zur Schau stellen. Sie würde sich sittsam und bequem anziehen.
Die Dekanin, die ihr unter den Buchen begegnete, starrte in gespielter Überraschung auf die blendend weiße Erscheinung.
«Vor zwanzig Jahren hätte ich gesagt, Sie gehen zu einer Kahnpartie.»
«So ist es. Hand in Hand mit einer würdevolleren Vergangenheit.»
Die Dekanin stöhnte milde. «Ich fürchte, Sie werden auffallen. So etwas tut man heute nicht mehr. Man zieht sich einfach was über, basta. Auch noch an einem Sonntagnachmittag! Ich schäme mich für Sie. Darf ich wenigstens hoffen, daß dieses Päckchen unter Ihrem Arm Schlagerplatten enthält?»
«Nicht einmal das», sagte Harriet.
In Wirklichkeit war in dem Päckchen ihr Tagebuch über den Shrewsbury-Skandal. Sie hatte sich überlegt, daß es am besten wäre, es Peter mitzugeben, damit er es sich in Ruhe ansah. Dann konnte er entscheiden, was man da am besten tat.
Sie war pünktlich bei der Brücke, aber Peter war schon vor ihr da. Seine altmodische Höflichkeit in dieser Hinsicht wurde noch unterstrichen durch die Anwesenheit Miss Flaxmans und noch einer anderen Shrewsbury-Studentin, die auf dem Floß saßen und offensichtlich auf ihre Begleiter warteten, beide erhitzt und verärgert. Harriet ließ sich amüsiert von Peter das Päckchen abnehmen, ihr galant in den Kahn helfen und die Kissen für sie arrangieren; sein ironischer Blick sagte ihr, daß er den Grund für ihre ungewohnte Fügsamkeit genau kannte.
«Möchte Sie lieber flußaufwärts oder flußabwärts fahren?»
«Nun, flußaufwärts ist mehr Betrieb, dafür ist der Untergrund besser zum Staken; abwärts ist es erträglich bis zur Gabelung, dann haben Sie die Wahl zwischen dickem Schlamm und der städtischen Müllhalde.»
«Alles in allem also die Wahl zwischen zwei Übeln. Aber Sie brauchen nur zu befehlen. Mein Ohr ist offen wie der gier’ge Hai, die Töne einer Götterstimme zu
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